Bis auf die personalisierte Ausnahmewahl in Rheinland-Pfalz, bei der die SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer vorne lag, wurden die Sozialdemokraten bei den Landtagswahlen von den Wählern erneut übel abgestraft. In Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt verloren sie jeweils etwa zehn Prozentpunkte bei den Wählerstimmen.

Es gab zwei Sorten Wahlen am Abend des »Superwahltages«, des 13. März 2016: Die personalisierten und die nicht personalisierten Wahlen. Oder man könnte auch sagen: Die personalisierten und die politischen Wahlen. Da, wo ein starker und beliebter Amtsinhaber antrat, nämlich in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz, konnte er gegen den Trend der eigenen Partei gewinnen. So konnte der bereits amtierende Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Grünen in Baden-Württemberg nach ersten Hochrechnungen um etwa acht Prozent verbessern.
Dasselbe gelang in Rheinland-Pfalz der amtierenden SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer, wenn auch in bescheidenerem Umfang (plus 1,6 Prozent). Das war’s dann aber auch schon.
Bei den nicht personalisierten Wahlen stürzten SPD und Grüne größtenteils dramatisch ab. Die Grünen verloren in Rheinland-Pfalz etwa zehn Prozent, in Sachsen-Anhalt etwa 1,9 Prozent. Nach ersten Hochrechnungen landeten sie in beiden Bundesländern nur noch bei etwa fünf Prozent und mussten beinahe um den Einzug in den jeweiligen Landtag zittern.
Den deutlichsten Unterschied zwischen personalisierten und politischen Wahlen sah man jedoch bei der SPD: Minus 10,1 Prozent in Baden-Württemberg (Forschungsgruppe Wahlen, 18.10 Uhr) und minus zehn Prozent in Sachsen-Anhalt (Infatest dimap, 18 Uhr). Werte, die sich im Laufe des Abends verfestigten.
Quo vadis, SPD?
Da kann man nur fragen: Quo vadis, SPD? Wohin gehst du? Um diese Frage zu beantworten, muss man erst einmal betrachten, wo die Partei eigentlich herkommt – nämlich von ganz weit oben, und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Politisch, moralisch und demoskopisch liegt die Messlatte bei der SPD deutlich höher als bei anderen Parteien.
Was zum einen am Namen „Sozial-Demokraten“ liegt und zum anderen an den überlebensgroßen Vorbildern von Willy Brandt bis Helmut Schmidt. Während diese Kanzler und Parteivorsitzenden heute als Markenkern der SPD gelten, wird dieser von Leuten wie Sigmar Gabriel im Eiltempo
aufgezehrt. Zurück bleibt nur eine leere Hülle, die mit Gott-weiß-was gefüllt wird, nur nicht mit sozialdemokratischen Inhalten. Nicht zufällig wirken die heutigen Führungsfiguren neben Brandts überlebensgroßem Denkmal in der SPD-Parteizentrale wie Gartenzwerge.
SPD: Fataler Generationswechsel
Heute, über 30 Jahre nach der Kanzlerschaft von Brandt und Schmidt (bis 1982) ist dieser Markenkern nur noch Legende. Heute ist Schussfahrt angesagt. Die Partei pfeift quantitativ (in Bezug auf die Wählerstimmen) und qualitativ auf dem letzten Loch. Den Ton gibt dabei in der Regel die Bundespolitik an. Nach dem SPD-Vorsitzenden Brandt kam zwar noch das SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel (bis 1991), danach begann jedoch ein Generationswechsel mit fatalen Auswirkungen.
Die Ausnahme Oskar Lafontaine bestätigt die Regel: Der letzte glaubwürdige SPD-Vorsitzende Lafontaine floh 1999 Hals über Kopf aus allen politischen Ämtern und trat später bei der Linken ein. Danach hat ihr eigener Nachwuchs die SPD endgültig an die Wand gefahren. Dürfen wir mal vorstellen:
| Die Bundesvorsitzenden der SPD seit 1991 | |
| Björn Engholm (1991-1993) | Trat wegen dubioser Rolle und Falschaussagen in der Barschel-Affäre zurück |
| Johannes Rau
(5. Mai – 23. Juni 1993) |
kommissarisch |
| Rudolf Scharping (1993-1995) | Log Deutschland in den Angriffskrieg im Kosovo. Als Bundesverteidigungsminister wurde er wegen verschiedener Affären von Bundeskanzler Schröder entlassen. |
| Oskar Lafontaine (1995-1999) | Floh im März 1999 unter Bundeskanzler Schröder (SPD) Hals über Kopf aus allen politischen Ämtern, einschließlich dem SPD-Vorsitz, und trat später der Linken bei. |
| Gerhard Schröder (1999-2004) | »Genosse der Bosse«, Sozialabbau, Deregulierung der Finanzmärkte bis hin zur Anarchie, Wegbereitung der Finanzkrise 2007 in Deutschland. Verdienst: Nichtteilnahme am Irak-Krieg. |
| Franz Müntefering (2004-2005) | Seine politische Strategie wurde auf seinen Ausspruch »Opposition ist Mist!« reduziert. Schied 2005 wegen schwerer Krankheit seiner Frau aus dem SPD-Vorsitz aus. |
| Matthias Platzeck (2005-2006) | Trat wegen gesundheitlicher Probleme zurück; spielte später als Ministerpräsident von Brandenburg eine unrühmliche Rolle im Aufsichtsrat des BER-Flughafens und schädigte damit das Ansehen der SPD weiter – zusammen mit Klaus Wowereit. |
| Kurt Beck (2006-2008) | Trat nach einem unwürdigen Schauspiel um die Kanzlerkandidatur zurück, nachdem Frank-Walter Steinmeier hinter seinem Rücken zum Kanzlerkandidaten 2009 gekürt worden war. Steckte als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Millionen Steuergelder in die teure Sanierung eines Luxushotels in seinem Heimatort Bad Bergzabern und versenkte Hunderte von Millionen in der Erlebniswelt Nürburgring. |
| Frank-Walter Steinmeier (September-Oktober 2008) | kommissarisch |
| Franz Müntefering (2008-2009) | Kehrte nach dem Tod seiner Frau in den SPD-Vorsitz zurück. Nachdem die SPD bei der Bundestagswahl 2009 nur noch 23 Prozent der Stimmen bekommen hatte, kandidierte er nicht mehr. |
| Sigmar Gabriel (2009-) | Negativer Sympathieträger, aggressives und autoritäres Auftreten, öffentliche Verwendung von Ausdrücken wie »Pack« und »Arschlöcher«, unglaubwürdige sozialdemokratische Haltung, aggressive Pro-Flüchtlings-Politik |
Diese Tabelle spricht für sich. Die Bundestagswahlergebnisse der SPD halbierten sich seit den 45,8 Prozent eines Willy Brandt (1972) auf zuletzt 23 und 25,7 Prozent. Ausschlaggebend war nicht die angeblich so starke CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel, sondern zum einen die zunehmend opportunistische und volksferne Politik der SPD (Deregulierung, Sozialabbau, zuletzt auch Flüchtlingspolitik), zum anderen unglaubwürdige Führungsfiguren wie die Vorsitzenden Müntefering und Gabriel, aber auch schwache Kanzlerkandidaten wie Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.
Bei kaum einer Partei klafften Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander. Politisch ist die SPD zur schlecht getarnten Mitläuferpartei der Großen Koalition, der internationalen Politik und der Banken verkommen und steht wie kaum eine andere Partei für den Niedergang der politischen Klasse und des politischen Systems in Deutschland.
Das Volk wird auf dem Altar der Ideologie geopfert
Schreibt man diese Entwicklung fort, ist eine Prognose, wo die SPD hingeht, nicht schwer. Wer den Anti-Populismus zur Parteidoktrin erklärt, muss sich nicht wundern, wenn ihm das Volk (lat. populus) davonläuft.
SPD-Projekte wie Frauenberufstätigkeit, Frauenquote, Gleichberechtigung (=Gender Mainstreaming), Schwulen- und Lesbenpolitik (Homoehe), staatliche Kinderbetreuung und Multikulti haben mit Ideologie sehr viel, mit der Bevölkerung aber sehr wenig zu tun. Das Volk wird vielmehr
auf dem Altar der Ideologie (oder noch schlimmerer globaler Doktrinen) geopfert.
Demgemäß setzte die SPD zuletzt wieder besonders starke volksferne Akzente, diesmal im Bereich der Flüchtlingspolitik. Die »Sozialdemokraten« stehen genau wie Kanzlerin Angela Merkel für eine rücksichtslose Einwanderungspolitik gegenüber dem eigenen Volk.
Sigmar Gabriels plötzliche Forderung nach Mehrausgaben »für unsere eigene Bevölkerung« wirkte nur aufgesetzt und wie ein spätes Schuldeingeständnis, die Deutschen vernachlässigt zu haben. Die peinliche Ad-hoc-Initiative war typisch für den Dilettantismus der SPD und bestätigt nur die desolate Verfassung der Partei und ihrer Führung.
Sie lebt politisch von der Hand in den Mund, wobei ihr jegliches strategisches Denken und Wollen fehlt, insbesondere für die eigenen Wähler. Fast möchte man das Wort »strategisch« noch streichen.
Dass die SPD vor den Landtagswahlen vom 13. März 2016 in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt schon in den Umfragen schwächelte, war daher keine Überraschung, sondern nur folgerichtig. In Sachsen-Anhalt lag sie laut einer Forsa-Umfrage bei 17 Prozent, in Baden-Württemberg bei 16 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2011 erreichte die SPD dort noch 21,5 beziehungsweise 23,1 Prozent. Das Desaster schien also vorhersehbar. Dass es den ersten Hochrechnungen zufolge sogar noch schlimmer kam, kann auch nicht wirklich überraschen…
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Gerhard Wisnewski
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