Tjaja – an den Karikaturenstreit von 2006 erinnern wir uns noch alle. Laut offizieller Darstellung ging der so: Nachdem eine dänische Zeitung islamfeindliche Karikaturen veröffentlicht hatte, erhob sich der finstere muslimische Mob und schmiedete Mordpläne gegen die Karikaturisten. So, wie man es von finsteren Muslimen eben erwartet. Alles klar? Nicht ganz, denn wo sind die Beweise für die Mordpläne? Das wollte Berichten zufolge jetzt der oberste dänische Gerichtshof vom dänischen Geheimdienst PET wissen. Die Antwort: Die Beweise sind geheim.
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| Künstlerisch wertvoll? Mohammed
mit Bombe |
Mohammed mit einer Bombe als Turban – was haben wir gelacht. Diese zündende Idee hatte der dänische Karikaturist Kurt Westergaard. Am 30. September 2005 veröffentlichte die Zeitung Jyllands-Posten die Zeichnung zusammen mit elf anderen islamfeindlichen Karikaturen. Und prompt ging der muslimische Mob auf die Barrikaden.
Sagte ich »prompt«? Naja, nicht ganz. Genauer gesagt dauerte es Monate, bis der sogenannte »Karikaturenstreit« mal so richtig in Gang kam – und selbst das geschah nicht unbedingt spontan: »Erst Monate nach der Veröffentlichung brachen in islamischen Ländern die zum Teil organisierten und gewalttätigen Proteste aus, bei denen mehr als 150 Menschen starben«, kann man in dem Internetforum Wikipedia (am 3. Juli 2008) lesen.
»Nach konkreten Mordplänen gegen ihn« stünden der Zeichner Westergaard und seine Frau »seit Ende 2007 unter massivem Polizeischutz«, weiß Wiki. Er müsse »ständig umziehen und an geheimen Orten leben«. Im Februar 2008 habe der dänische Polizeigeheimdienst PET die Festnahme von mehreren Männern in der Stadt Arhus gemeldet, »die mutmaßlich planten, Westergaard zu ermorden«.
Und auch Spiegel Online japste: »Die dänische Polizei hat einen Anschlag auf einen Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikaturen vereitelt. Ermittler nahmen mehrere Verdächtige fest, die den Mann töten wollten.«
Gemach, gemach. Denn was die Medien hier vollmundig als »konkrete Mordpläne« (Wiki) oder »relativ konkrete« Mordpläne (Spiegel Online) unters Volk bringen wollen, beruht auf Behauptungen von Geheimdiensten. Mit Hilfe dieser Geheimbeweise wurden im Februar 2008 mehrere Muslime verdächtigt, in Abschiebehaft genommen und seitdem festgehalten. Die neue Antiterrorgesetzgebung Dänemarks macht’s möglich.
Drei Gerichtsinstanzen brauchte es, um die mittelalterliche Beschuldigungspraxis zu stoppen. Erst der Oberste Gerichtshof machte dem Spuk laut Südtirol Online mit seinem Spruch vom 2. Juli 2008 ein vorläufiges Ende. Der Geheimdienst habe die »Beweise« herauszugeben und die erste Instanz die Sache noch einmal zu verhandeln.
Für die dänische Antiterrorgesetzgebung wäre das Urteil eine schallende Ohrfeige. Das Votum der Obersten Richter sei einstimmig ausgefallen. Von neun Richtern hätten neun für eine Wiederaufnahme des Verfahrens in der ersten Instanz gestimmt – und zwar mit den »Beweisen«.
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Gerhard Wisnewski
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