Von Gerhard Wisnewski
Sydney, Airport, 25. Februar 2007. Die Boeing 757 des amerikanischen Vize-Präsidenten Dick Cheney rollt zur Startbahn. Es war ein martialischer Besuch gewesen. Bei einer Pressekonferenz mit dem australischen Premierminister John Howard hatte Cheney sowohl dem Iran als auch China gedroht. In Richtung Iran sagte er, alle Optionen lägen auf dem Tisch – also auch die militärische. Gleichzeitig warnte er vor einem weiteren Ausbau des chinesischen Militärpotentials und warf dem Land ein «kontinuierliches, beschleunigtes Aufrüsten» vor. Doch nun, gegen neun Uhr morgens, machte sich Cheneys Boeing auf den Weg zur Startbahn.
Plötzlich geschah etwas Unvorhergesehenes. Australische Medien beschrieben den Vorfall ursprünglich so: «Aus einem unbekannten Grund hatte Mr. Cheneys Boeing 757 diesen Morgen am Airport von Sydney eine vorübergehende Verspätung. Während sie stand und die Triebwerke für den Weg zur Startbahn beschleunigte, wurden die Motoren plötzlich abgeschaltet. Die Haupttüre öffnete sich, die Gangway wurde sofort zum Flugzeug zurückgeschoben, aber Sicherheitspersonal winkte ab. Die Maschine begab sich dann zur Startbahn und hob ab, auf dem Weg in die Vereinigten Staaten.» In einer anderen Version, in der Zeitung The Age, heißt es, die Maschine habe sich bei dem Vorfall bereits auf dem Weg zur Startbahn befunden, als sie plötzlich gestoppt habe und eine Gangway zu ihr hingeschickt worden sei. Nach dem Vorfall befragt, erklärte Cheneys Sprecherin Lea Anne McBride, ein Passagier habe ein Gepäckstück in einem Auto vergessen. Es sei dann aber entschieden worden, das Gespäckstück mit einem anderen Flug nachzuschicken.
So weit, so harmlos. Nicht ganz so harmlos ist die Version, die die Website whatdoesitmean.com anbietet. Danach hat an Bord von Cheneys Boeing nämlich ein klitzekleiner Putschversuch stattgefunden, sowas wie ein kleiner 20. Juli (am 20. Juli 1944 verübten deutsche Offiziere ein Attentat auf Hitler). Unter Berufung auf Quellen beim russischen Geheimdienst FSB berichtet whatdoesitmean.com, Special Forces-Einheiten der USA hätten versucht, Cheney an Bord der Maschine zu verhaften. Der Zwischenfall habe drei Tote und mehrere Verletzte gefordert. Kurz nach dem Abheben habe die Air Force die US Pacific Command Forces alarmiert und über den Zwischenfall informiert, was von den Russen abgehört worden sei.
Nun würde ich ja auf ein solches Gerücht nicht viel geben, wenn nicht feststünde, daß die Spannungen innerhalb des Militär- und Regierungsapparates der USA immer weiter steigen, je mehr Cheney und andere versuchen, die Vereinigten Staaten in einen Krieg mit dem Iran zu stürzen. «Die USA befinden sich in einer ganz ähnlichen Lage wie die Sowjetunion 1988 und wie Deutschland 1944», schrieb ich am 28. Februar 2007: «Während die Führung starrsinnig die nächste, womöglich tödliche Katastrophe anvisiert, kommt es zu inneren Zerreißproben. Hinter der aalglatten Fassade wird scharf geschossen, möglicherweise im wahrsten Sinne des Wortes.» Die angedrohten Rücktritte von hohen US-Generälen für den Fall eines Angriffs auf den Iran sind ein deutliches Zeichen. Interessant ist, daß Cheney zur Zeit im Zentrum dieser Spannungen zun stehen scheint. Wenn nicht nur der Vergleich mit der Sowjetunion 1989, sondern auch mit Deutschland 1944 einiges für sich hat, dann befindet sich möglicherweise niemand anderer als Cheney im Brennpunkt von Bemühungen amerikanischer Stauffenbergs, das Ruder herumzureißen. Glaubt man verschiedenen Berichten und Gerüchten, scheint sich der amerikanische Vize-Diktator in ernsten Schwierigkeiten zu befinden.
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| US-Basis Bagram: Attentatsversuch auf Cheney |
Ein Gerücht wäre auch der angebliche Putsch auf der Startbahn geblieben, wäre nicht zwei Tage später vor Cheneys Nase tatsächlich eine Bombe explodiert, und zwar am Dienstag, 27. Februar 2007, bei einem Zwischenstop auf der US-Militärbasis Bagram bei Kabul: «Cheney hatte gerade mit Soldaten auf der US-Basis Bagram nördlich von Kabul gefrühstückt, als das Feldlager von einer heftigen Explosion erschüttert wurde. Einem Selbstmordattentäter war es gelungen, bis vor das Tor des Camps zu gelangen, in dem der Vizepräsident übernachtet hatte – und das als wichtigste US-Basis in Afghanistan zu den am besten gesicherten Einrichtungen im Land gehört», so die Mitteldeutsche Zeitung.
Ein Taliban-Selbstmordattentäter, das ist freilich die bequemste Version. Ob sie auch die richtige ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Über das, was der Selbstmordattentäter genau gemacht haben soll, gibt es nämlich mindestens drei Versionen:
Nur noch eine Frage: Wie konnten die Taliban so kurzfristig von Cheneys Anwesenheit erfahren? Das Problem ist nämlich: Cheneys Reisepläne sind aus Furcht vor Anschlägen geheim. «Erst am späten Montagabend war bekannt geworden, dass Cheneys Überraschungsbesuch in Afghanistan bis Dienstag dauern würde», so der Tagesspiegel, also bis zum Tag des Anschlags. «Cheney übernachtete außerplanmäßig in der US-Basis – und die Taliban nutzten die seltene Chance.» Dies beweise, so die spanische Zeitung El País, daß die Taliban Informationen aus erster Hand erhalten hätten und kurzfristig zuschlagen könnten.
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.