Von Gerhard Wisnewski
Was hat eigentlich Roland Koch geritten, vor der Landtagswahl in Hessen am 27. Januar 2008 eine Diskussion um die Verschärfung des Jugendstrafrechts loszutreten und praktisch Knast für Kinder zu fordern? Hat er damit die Landtagswahl nicht vor die Wand gefahren – zumindest für seine Partei? So nach dem Motto: Schon ein Koch reicht, um den Brei zu verderben?
Nicht doch: Roland Koch rührt den richtigen Brei erst an – den richtigen Emotionsbrei. Seine Hauruck-Modelle sind einer der größten PR-Erfolge, seit es Landtagswahlen gibt. Denn mal im Ernst: Wer interessiert sich in diesen Zeiten grassierender Auflösungserscheinungen und galoppierender Glaubwürdigkeitsverluste der Politik noch für Landtagswahlen? Kein Mensch. Zumindest immer weniger Menschen. Die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen stürzt seit Jahren ab, und Bund und Ländern drohen weitere Legitimations-, den Parteien Geldverluste. Keine Frage, da braucht man etwas, was die Leute so richtig aufpeitscht und die Landtagswahl in das Zentrum der öffentlichen Debatte rückt. Und so dreschen SPD und CDU, FDP und Grüne dankbar und augenzwinkernd aufeinander ein – und in dem Bewußtsein, daß es wieder mal gelungen ist, das Wahlvolk für den «demokratischen Prozeß» und die «demokratische Debatte» zu gewinnen. Ein Bösewicht mußte her, in dessen Angesicht sich die Menge berufen fühlt, die freiheitliche Demokratie, ach was: das Abendland zu retten und brav zur Wahl zu marschieren.
Roland Koch ist ja nicht blöd: Er mobilisiert erstmal linke Wähler, das ruft die rechten Wähler dann schon auf den Plan – und schon marschieren alle brav zur Urne. Welche Partei die Wahl gewinnt, ist zweitrangig; Hauptsache, es gewinnt das Parteiensystem. Über die Regierung wird man sich dann schon einigen. Und selbst als Oppositionsführer lebt man noch komfortabler, als in einem Staat, in dem irgendwann niemand mehr zur Wahl geht.
Meine Meinung: Die Nichtwahl ist die wirksamste politische Äußerung in einem Einparteiensystem. Also bitte nicht drauf reinfallen, sondern zu Hause bleiben.
Notiz: Was zu erwarten war: Während die Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl in Niedersachsen mit 57 Prozent auf einen historischen Tiefstand (2003: 67 Prozent) abstürzte, konnte sich die Wahlbeteiligung in Hessen bei 64,3 Prozent stabilisieren (2003: 64,6 Prozent).
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.