Noch keine Weihnachtsgeschenke? Freut Euch, die Rettung naht. Es gibt ein Geschenk, das bis jetzt keiner hat, aber jeder braucht: Die neue CD von der »Bandbreite «. Die Band, die durch ihren Song »Selbst gemacht « bekannt wurde, hat ihr neues Album »Hexenjagd « vorgelegt. Und das macht süchtig.
Du hast nen Blick hineingeworfen in das verbotene Buch
und hast dann stundenlang, nächtelang im Internet gesucht.
Du hast geflucht, das kann nicht sein, das haut nicht hin, das ist nicht wahr,
Wenn das stimmt, was hier steht, dann sind wir alle am Arsch.
Die Matrix ist Realität,
sie ist Realität,
auch wenn ihr sie nicht seht.
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Wer kennt sie nicht, diese Nächte mit »verbotenen Büchern « und vor dem Internet, wenn nachts um halb drei plötzlich der Boden schwankt und das Weltbild kippt? Spätestens seit dem 11.9.2001 haben Millionen von Menschen diese Erfahrung gemacht – aber wer hat sie wirklich artikuliert?
Die Bandbreite: DJ Torben und Wojna auf ihrem neuen Album Hexenjagd
Klar: Recherchen über den 11.9.2001, die Anschläge von Madrid und London, den Krieg im Irak und andere Inszenierungen gab es jede Menge. Aber wer formulierte das Lebensgefühl und die Dramatik all dieser Menschen, die plötzlich anfingen, sich selbst zu informieren und kalte Schauer auf ihrem Rücken zu fühlen?
Wat ist eine Attacke unter falscher Flagge?
Und warum singt die Bandbreite über so ne Kacke?
Ich werd’s dir sagen, False Flag ist ein Instrument,
dat jeder Staatschef auf dieser Erde gerne nutzt und kennt,
es liegt im Trend bei MI6, CIA und BND,
man baut sich selbst ne Bombe und stellt sie in ein Cafe,
oh je, dat muss ein Moslem gewesen sein.
ist zwar alles kaputt aber sein Pass hier, der ist noch heil.
Eine ganz neue politische Kultur der Graswurzel-Recherche, des Kombinierens und Diskutierens war da entstanden – aber was fehlte, war die Musik dazu. Eine eigene politische »Liedermacherei «, wie sie zu Zeiten der frühen Grünen und der Friedensbewegung in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts existierte, fehlte. Während sich die Welt rasend schnell weiterdrehte, haben die verdienten Veteranen von damals zu den aktuellen Fragen wie Neue Weltordnung, 11.9.2001, False-Flag-Terror und Geheimdienste nichts zu sagen. Sie bleiben in alten Klischees, Reflexen und dem verstaubten Links-Rechts-System verhaftet. Mit ihren Liedern antworten sie immer noch auf die politischen Fragen von Gestern – wenn überhaupt. Den extrem gefährlichen politischen Herausforderungen von heute stellen sie sich nicht.
Die »Aufklärung 2.0 « braucht aber genauso eine Musik, wie einst die Friedensbewegung. Schon vor geraumer Zeit hat die Bandbreite mit ihrem phantastischen Hip-Hop-Stück »Selbst gemacht « zwar den Anfang gemacht:
Habt ihr dat vielleicht selbst gemacht?
Den Terror selber in die Welt gebracht?
Ja, ihr hattet doch damals diesen Think Tank
isset drin, datt ihr da an dieses Ding denkt?
Habt ihr dat vielleicht selbst gemacht?
Habt ihr dabei an dat Geld gedacht?
Habt ihr dafür die eigenen Leute getötet,
weil ihr dat Öl da drüben so dringend benötigt?
Aber bis heute wusste man außerhalb des Ruhrgebiets (wo die Bandbreite normalerweise auftritt) nicht so recht, ob die Band auch noch mehr kann als Hip Hop. Und sie kann mehr – viel mehr. Sie kann nicht nur dichten und verdichten, Gedanken und Lebensgefühle auf einen Punkt bringen – sie kann dazu auch eine äußerst süffige Musik liefern – so eine Art BAP auf hohem politischem Niveau mit einem hohen Ohrwurm-Faktor und Anklängen an Grönemeyer und den deutschen Pop.
Doktor Schäuble kommt in deine Wohnung gerollt,
und sieht nach ist auch alles ok.
Doktor Schäuble kommt zu dir auch ungewollt,
denn du kannst ihn nicht sehen.Er sucht nach Sachen, die dich belasten
in deinen Taschen, bekommt er sie zu fassen.
Er liest dein Tagebuch, und er weiß ganz genau,
ob du Männer liebst, oder eine Frau.
Er kennt deine Ängste und speichert sie magnetisch,
jetzt kann er dich lenken und freut sich dann frenetisch.
Das heißt: Politischer Pop von heute kommt nicht verkniffen und gramgebeugt daher, sondern macht verdammt viel Spaß. Warum die Bandbreite selbst politisch verfolgt wird (deshalb auch der Album-Titel Hexenjagd; sieke Links am Ende des Artikels), ist mir erst durch diese CD so richtig klar geworden. Denn in einer mobilisierenden Musik für die Aufklärungsbewegung liegt eine große Gefahr für die totalitäre Propagandamaschine. Die allgegenwärtigen bezahlten Denunzianten haben das natürlich gleich erkannt und versuchen dem Bandbreite-Duo Marcel Wojnarowicz und DJ Torben jede Menge Dreck an die Jacke zu schmieren und es durch Denunziationen bei Veranstaltern existenziell zu vernichten. Der Denunziant, eine zentrale Figur totalitärer Systeme, hat hierzulande wieder Hochkonjunktur. Auf Veranstaltungen wie zuletzt »Bochum gegen Rechts « wurde der Bandbreite Berichten zufolge von einer DGB-Frau allen Ernstes das Mikro abgedreht, weil man die Wahrheit über die Attentate des 11.9.2001 partout nicht hören wollte (mehr dazu in meinem neuen Kritischen Jahrbuch über das Jahr 2008, das demnächst erscheint).
Armes Deutschland, armer DGB, arme Demokratie: So weit sind wir knapp 20 Jahre nach dem Ende der DDR schon wieder – nämlich, dass sie auf deutschem Boden wiedergegründet wird. Ich würde sagen: Zeigen Sie solchen Anti- und Pseudodemokraten, was Sie von Zensur halten und bestellen Sie – husch, husch – die CD Hexenjagd. Dort wird sich jeder wiederfinden, der Fragen stellt. Kostet auch nur 14 Euro – da kann man für Freunde auch gleich ein paar mitbestellen.
P.S.: Habe ich schon die Super-Gastauftritte von Tapesh 2012 und Silke Ogryssek auf Hexenjagd schon erwähnt? Nein? Dann tu› ich’s hiermit – weitere Talente, die man sich merken sollte …
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Gerhard Wisnewski
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