»Terrorverdacht: Polizei stürmt Flugzeug«, kreischten am 26. September 2008 landauf, landab die Medien. Manche wußten sogar, dass ein Spezialeinsatzkommando der Polizei (SEK) an der heldenhaften Aktion gegen zwei »Terrorverdächtige« an Bord einer KLM-Maschine in Köln beteiligt war. Inzwischen lecken sich die Schreiberlinge die Wunden. Der »spektakuläre Schlag gegen den Terror« (ZDF-»heute mittag«) entpuppt sich mehr und mehr als spektakulärer Schlag ins Wasser. Und als veritable Medien-Ente …
»SEK stürmte Flugzeug«, kreischte die Website koeln-journal.de am 26. September 2008. Wow – diese Sicherheitsbehörden! Diese GSGs, SEKs, MEKs, H&Ks, k.u.k.s! Da sieht man sie wieder regelrecht vor sich, die Wüstenfüchse von 1977, wie sie die Lufthansa-Maschine Landshut heraushauten! Toll!
Nichts ist toll. Die Stürmung war eine der größten Medienenten der letzten Monate, die man auch heute noch auf Google News live mitverfolgen kann.
Vorsichtshalber hier ein Screenshot:

»Flughafen Köln-Bonn: Polizei stürmte Flugzeug in Köln«, schrie Spiegel Online laut der Fundstellenliste von Google News. In erfrischender Offenheit sprach die Spiegel-Website demnach gar von einem »Terroreinsatz«: »Terroreinsatz auf dem Flughafen Köln-Bonn: Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei stürmte am Morgen eine Maschine der Fluglinie KLM Richtung Amsterdam. …«
Halali:
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| Sonderentenkommando (SEK) auf der Geflügel-
jagd. |
Ihr Auftritt, Herr Schäuble! Der Riesen-Innenminister konnte die Meldungen gut gebrauchen, kaut er nun doch schon seit einem Jahr an dem mageren Knochen der angeblichen Sauerland-Terroristen herum, die vor allem durch den Besitz einer Überdosis Haarfärbemittel aufgefallen waren. Laut Schäuble befindet sich Deutschland im Fokus des internationalen Friseurwesens – quatsch: »Terrorismus«. Das erzählte er zwei Tage nach der »Stürmung« in einem Interview mit der Berliner BZ. Dies werde auch in der politischen Debatte häufig nicht ernst genug genommen, wurde Schäuble auf dem Online-Portal stern.de zitiert.
Kurze Zeit später herrschte bereits Katerstimmung. Gestürmt hatte es vor allem im Hirn von Sicherheitspolitikern und Journalisten. Klickt man heute zum Beispiel auf die erwähnte Spiegel-Online-Schlagzeile, heißt es da plötzlich nur noch:
»Polizei nimmt mutmaßliche Terroristen im Flugzeug fest«. Statt von einem »Terror-Einsatz« ist nun brav von einem »Anti-Terror-Einsatz« die Rede: »Sowohl das LKA als auch ein Sprecher des Flughafens widersprachen Berichten, wonach das Flugzeug gestürmt worden sei«, zischt die Luft hörbar aus der Medienblase: »Vielmehr sei die Festnahme der beiden Männer an Bord ›völlig unspektakulär‹ verlaufen. ›Es wurden definitiv keine Spezialkräfte eingesetzt‹«, habe ein Polizei-Sprecher gesagt: »Die Männer hätten auch keinen Widerstand geleistet.«
Aua – hat jemand mal ein Aspirin?
Bei der Website der ach-so-seriösen Nachrichtensendung Heute dasselbe Bild. Die »Stürmung« verwandelte sich in einen Sturm im Wasserglas:
Klickt man in der Google-Trefferliste auf die Heute-Schlagzeile »Terrorverdacht: Polizei stürmt Flugzeug«, gelangt man nun auf den zahmen Artikel »Terrorverdächtige wollten im ›Heiligen Krieg‹ sterben«: »Es sei eine ganz normale Festnahme gewesen, keine Erstürmung« wird da nun ein Polizeisprecher zitiert: »Die beiden Festgenommenen leisteten keinen Widerstand, und sie waren unbewaffnet.«
Bei einem anderen Teil der Medien watschelt die fette Ente von der heldenhaften Stürmung eines Flugzeuges allerdings weiter lustig durch die Schlagzeilen, zum Beispiel bei diepresse.com. »Deutsche Polizei stürmt Flugzeug«, heißt es da nach wie vor in der Schlagzeile des Artikels.
Und auch das ehrenwerte Kölner Domradio berichtet unverdrossen: »SEK stürmt KLM-Maschine in Köln«.
Wer’s glaubt, wird selig. Die Halbwertszeit der offiziellen Terror-Inszenierungen und Medienblasen hat erschreckend abgenommen. Nur wenige Tage nach diesen unheilvollen Äußerungen stehen Medien und Behörden ohne Hosen da.
Nachdem die erste Version in sich zusammenkrachte, wie sonst nur das Finanzsystem oder die CSU, droht nun der Totalabriss. Jetzt löst sich auch der Verdacht gegen die angeblichen Terroristen in Luft auf:
»Indizien gegen Terrorverdächtige bröckeln«, meldete Spiegel Online gestern.
Was sagt uns das?
1. Beweise gab es nie, sondern nur »Indizien«.
2. Und die lösen sich jetzt auch noch in Luft auf.
»Zweifel« kämen nun an der Aktion auf, heißt es nun. Man sei »zu früh gekommen«. Ist allein das schon ärgerlich, wird es besonders peinlich, wenn das in aller Öffentlichkeit geschieht: Die Indizien gegen einen der Verdächtigen seien »ungewöhnlich dünn«. Und überhaupt: »Der entscheidende Hinweis war möglicherweise nur ein hysterischer Liebesbrief.«
Und das kam so: Während der Beschuldigte durch die Passkontrolle ging, durchwühlten die amtlichen Sherlock Holmes sein Gepäck, wo sie den Abschiedsbrief seiner Verlobten vorfanden. Die sagte ihrem Liebsten allem Anschein nach für immer Lebe wohl. Doch statt dies als blumige orientalische Verabschiedung zu werten, folgerten die Super-Detektive messerscharf: Der Mann kann nur auf dem Weg in den Dschihad sein.
Chapeau, meine Herren! Prompt fanden sie auch eine überforderte Richterin vom Amtsgericht Köln, der bei diesem brettharten Beweismaterial das Herz ebenfalls bis zum Halse schlug – woraufhin sie »hastig« (Spiegel Online) einen Haftbefehl zusammenschmierte.
»Die Richterin am Amtsgericht«, so Spiegel Online, offenkundig keine Expertin in orientalischen Liebesangelegenheiten, pardon, natürlich in »heiklen Staatsschutzdelikten«, habe die Verwahrung »mit einem angeblichen Entschluss, der Beschuldigte wolle einen islamistisch motivierten Selbstmordanschlag begehen«, begründet.
Beweise? Wieso denn? Wohin soll sich ein Islamist denn sonst verabschieden, wenn nicht in den Heiligen Krieg? Na, also. »Wann, wo und wie«, das bleibe zwar offen, so Spiegel Online, aber das macht nun wirklich nichts. Schließlich war eins ganz sicher: »Voraussichtlich solle Sprengstoff verwendet werden.«
Na gut, das kann man sich schließlich an allen drei Fingern abzählen – oder waren es fünf? Egal: Schließlich hat noch niemand einen Islamisten ein Pudding-Attentat verüben sehen. Eine weitere Rolle spielten irgendwelche nicht näher beschriebenen SMS und die Tatsache, daß der Verdächtige »über keine gefestigten Verbindungen« verfüge.
Respekt: Wird man von richterlichen Sozial-Ingenieuren als bindungslos enttarnt, ist man erstens eindeutig selbstmordanschlaggefährdet und wandert zweitens ganz schnell mal in den Knast.
Da werden die finsteren Verdächtigen aber wohl nicht mehr lange bleiben:
»Wenn nicht die Auswertung der Asservate und die derzeitigen Vernehmungen neue belastende Indizien ergeben, könnte es sein, dass Omar D. und Abdirazak B. in nicht allzu ferner Zukunft wieder auf freiem Fuß sind.«
Noch ein Aspirin, bitte.
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Gerhard Wisnewski
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