Es ist einfach zu schön: Die Jugend ist Europas Parteien wichtig! Erstmals in Europa dürfen am 28. September 2008 in Österreich bereits 16jährige bei einer nationalen Wahl mitwählen. «Mehr Mitbestimmung und mehr Zukunftsbestimmung für Jugendliche» werde es geben, jubelte die SPÖ. Die Frage ist nur: Was steckt wirklich hinter der neuen Jugendeuphorie der Parteien?
«Unser Erfolg: Wählen mit 16!», prahlt die SPÖ. «Jetzt ist es soweit! Wenn du 16 Jahre alt bist, hast du die Möglichkeit, das erste Mal an der bevorstehenden Nationalratswahl am 28. September 2008 mit zu wählen. Endlich kannst du mitbestimmen! Wir freuen uns, dass es mit der SPÖ endlich möglich war, diese jahrelange Forderung zu realisieren. (…) Wir sehen Jugendmitbestimmung als Teil einer Initiative, um die Partizipation von Jugendlichen in der Gesellschaft zu erhöhen. »
Toll. Europas Regierungen und Parlamente haben die Jugend entdeckt. In Österreich wurden die Weichen schon am 24. Mai 2007 gestellt. An diesem Tag gab der Verfassungsausschuss des Nationalrats grünes Licht für die von der Regierung vorgeschlagene Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. Vizekanzler Wilhelm Molterer von der ÖVP sagte, für die Parteien ergebe sich eine „offensive Notwendigkeit“, auf die junge Generation zuzugehen. In der Senkung des Wahlalters sieht er einen „aktiven Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung“. Es ginge darum, aktiv auf junge Menschen zuzugehen und sie für die Demokratie zu begeistern. Darin sieht er einen „Auftrag für die Politik und die politischen Parteien“, die im Umgang mit der Jugend ihre demokratische Reife unter Beweis stellen könnten.
Endlich einmal geht es um die Jugend, Jugend und nichts als die Jugend. Wirklich? Das Problem ist nämlich, daß einen leise Zweifel beschleichen, wenn man sich die unten stehende Kurve anschaut:
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| Jugend hilf! Wahlbeteiligung bei den Nationalratswahlen
in Österreich. Quelle: Uni Wien |
Hoppla, da ist ja der Teufel los! Die Wahlbeteiligung bei den österreichischen Nationalratswahlen erodiert seit Jahren. Trotz einer bis 1994 in einigen Bundesländern bestehenden Wahlpflicht sank die Wahlbeteiligung schon vor den Nationalratswahlen 1994. „Seit Mitte der 80er Jahre ist in Österreich ein beständiger Trend sinkender Wahlbeteiligung zu beobachten“, so eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema Wahlbeteiligung in Österreich. Heute liegt die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen nur noch knapp über 80 Prozent. Bei den Gemeinderatswahlen in der österreichischen Hauptstadt Wien gingen zuletzt nur noch 60 Prozent der Wähler ins Abstimmungslokal.
Angesichts von Parteien und Politikverdrossenheit müssen daher neue Wähler her. Während sich immer mehr Alte frustriert von Politik und Wahlen abwenden, muß man die Wählerpotentiale von unten neu auffüllen. Der besondere Vorteil der 16- bis 18jährigen liegt zweifellos in ihrer mangelnden Lebenserfahrung und leichten Beeinflußbarkeit. Kann man den Alten schon lange nichts mehr vormachen – oder zumindest immer weniger – , gehen die Jungen noch naiver an die Sache ran.
Das ist denn auch des Pudels Kern. Verschwiegen wird in der ganzen Diskussion, dass die Politik keineswegs in erster Linie an die Jugend, sondern selbstverständlich an sich selbst denkt.
Tja, zum Schießen, diese Österreicher! Langsam – gegenüber dem, was in Deutschland ausgeheckt wird, ist das noch gar nichts. Hier will man angesichts der zusammenbrechenden Wahlbeteiligung nämlich in Zukunft bereits Kinder wählen lassen, und zwar ab Geburt. Solange die aus naheliegenden Gründen noch nicht zur Urne gehen können, sollen die Eltern das «für sie» erledigen. Die Konsequenz wäre natürlich ebenfalls eine wundersame Zunahme der Wahlbeteiligung…
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Gerhard Wisnewski
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