Noch ein Buch über Barack Obama? Warum denn? Wir wissen doch schon alles: Barack Obama verkörpert den «Change you can believe in». Er ist ein «amerikanischer Traum», wir können wieder «Hoffnung wagen», uns auf den «American dream» rückbesinnen und auf den «schwarzen Kennedy» freuen. Behaupten jedenfalls unisono die gängigen Buchtitel, die nicht zufällig in unseren Buchhandlungen stehen, wie eine psychologische Leibgarde für den möglichen neuen US-Präsidenten. Noch Fragen? Jede Menge.
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| «Barack Obama – Wie ein US-
Präsident gemacht wird»: Die notwendige Korrektur der herr- schenden Meinung. |
Zum Beispiel, wie ein solcher US-Präsident eigentlich gemacht wird, so der Untertitel von Webster G. Tarpleys neuem Buch über Barack Obama. Und wie man sich vielleicht denken kann, ist der kritische amerikanische Historiker und Autor Tarpley zu geringfügig anderen Ergebnissen gekommen, als die offizielle Jubelpropaganda.
«Die Notwendigkeit, dieses Buch zu schreiben, wurde mir zwischen Sonntag, dem 6. Januar und Montag, dem 7. Januar 2008 bewusst – also in der Zeit zwischen der Wahlversammlung (,Caucus‘) in Iowa am 3. Januar dieses Jahres und den Vorwahlen in New Hampshire am 8. Januar», schreibt Tarpley zu Beginn.
Da sah er nämlich plötzlich einen weitgehend unbekannten Politiker im Zentrum einer beispiellosen Medienhysterie. Das obskure Objekt der Medien-Begierde war «die schmale Figur eines gewissen Barack Obama, eines kaum bekannten Senators aus Illinois, der bisher politisch wenig erreicht hatte und keine klaren Loyalitäten erkennen ließ, der sich aber in den USA langsam als Massenredner einen Namen machte. Für Obama sagten die Fernsehkommentatoren eine unmittelbar bevorstehende Transfiguration, Auferstehung und Verklärung voraus. ‹Mein Gott!› rief ich also am Nachmittag des 7. Januar 2008, als ich auf MSNBC die Bilder einer Obama-Wahlveranstaltung betrachtete: ‹Das ist eine Farbenrevolution in den USA!’»
Mit den «bunten» Revolutionen an der russischen Peripherie hatten US-amerikanische Kriegstreiber in den letzten Jahren willige Erfüllungsgehilfen des Imperiums an die Macht gebracht. Darunter jenen georgischen Präsidenten und Provokateur Michail Saakaschwili, der für die jüngste Krise im Kaukasus verantwortlich zeichnet. Und nun das: Die gleichen schwärmerischen Massen hoben jetzt einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten auf den Schild.
«Kurz», so Tarpley,
«in den USA war ein Staatsstreich im Gange. Aber es war nicht der Putsch der griechischen Obristen und auch nicht der von Pinochet in Chile. Es war überhaupt kein rechtsgerichteter Putsch, und er war unblutig – zumindest anfänglich. Es war ein Staatsstreich mit linken und progressiven Obertönen; ein Putsch, der nicht von einer Junta alternder reaktionärer Generäle betrieben wurde, sondern vielmehr von einem geschniegelten jungen Demagogen der linken Mitte, dessen Auftreten von Schwärmen begeisterter, zumeist jugendlicher Anhänger begleitet wurde. Es war genau wie bei der sogenannten ‚Orangenen Revolution‘ im Herbst und Winter 2004 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Diese Orangene Revolution war – wie unterrichtete Beobachter sehr wohl wussten – das Resultat einer zynischen Destabilisierung der Ukraine durch amerikanische und britische Nachrichtendienste, ganz besonders die US-Stiftung National Endowment for Democracy (NED), die verschiedenen Soros-Stiftungen und Gene Sharps American Einstein Institution sowie andere Organisationen.»
Schritt für Schritt beschreibt Tarpley, weltweit bekannt vor allem durch seine Nichtautorisierte Biographie von George H.W. Bush (senior), in seinem neuen Buch, wie aus dem politischen Newcomer Obama ein charismatischer neuer Führer gemacht wurde. Er untersucht die Berater und Hintermänner, die Experten und die Einflüsterer und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis:
«Für die mehr als zwei Drittel aller Amerikaner, die während eines Großteils der vergangenen acht Jahre Bush und Cheney gehasst, nicht gemocht, oder sich über sie geärgert haben, mag es ketzerisch scheinen und schwer erträglich sein, dass es etwas Schlimmeres geben könnte als dieses bankrotte Regime. Aber wir können versichern, dass es Alternativen gibt, die weit schlimmer, unendlich viel schlimmer sind.»
Dass Tarpley im Ton dabei teilweise etwas scharf wird, kann man nachvollziehen. Das Problem: Obama werde sich nicht mit Feldzügen gegen weitgehend wehrlose Länder wie Afghanistan und den Irak zufrieden geben, wie es die «feigen» (Tarpley) Neokons getan hätten. Vielmehr stünden bei Obama ganz Andere auf der Speisekarte: nämlich Russland und China. Obama ist für Tarpley nur die Marionette seines wichtigsten außenpolitischen Beraters, des bereits vergessen geglaubten Falken und Russenhassers Zbigniew Brzezinski. Ja, Obama ruht geradezu im Schoße der Familie Brzezinski, die ihn «berät» und die Werbetrommel für ihn rührt.
Brzezinski wiederum sieht die Welt als sein «Grand Chessboard» (Großes Schachbrett), wie ein Buchtitel von ihm lautet, auf dem aus Ländern wie dem Iran und Syrien nur Bauern im Kampf gegen Russland und China werden sollen. Und wo es Schachbretter gibt, gibt es natürlich auch Schachfiguren. Und tatsächlich ist Tarpley der Meinung, dass diese Brzezinski-Fraktion in Washington bereits die Macht übernommen und die aggressiven Aktivitäten der USA Richtung Russland verlagert hat.
Um es dem deutschen Leser näherzubringen, wurde das Buch (US-Titel: Barack Obama – The Postmodern Coup) für sein Erscheinen in Deutschland redaktionell bearbeitet. Dabei war es fast unheimlich zu beobachten, wie die Prophezeiungen Tarpleys eintrafen: Die US-Marionette Saakaschwili brach einen Konflikt mit Russland vom Zaun, und auch China steht seit einigen Monaten vermehrt im Fadenkreuz einer «farbigen Revolution» in Tibet.
Schonungslos deckt Tarpley die Hintergründe des Demokratischen Präsidentschaftskandidaten auf und stellt das Bild vom «Hoffnungsträger» vom Kopf auf die Füße. Tarpleys Buch ist eine dringend notwendige Lektüre für jeden, der sich den Kopf von dem allgegenwärtigen Propagandaschaum reinwaschen und wieder klar sehen will – die längst überfällige Korrektur der herrschenden Meinung.
Copyright © 2008 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.
Gerhard Wisnewski
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