Tja, da haben wir’s: die Drogen der Großen. Ob Nero, Napoleon oder auch Ludwig II.: Kaum eine große Gestalt der Geschichte, die nicht irgendwelche Drogen genommen hätte. Und nun auch noch John F. Kennedy, der sagenhafte US-Präsident, der am 22. November 1963 ermordet wurde? Ein neues Buch zum 50. Jahrestag des Kennedy-Attentats legt das nahe. Gerhard Wisnewski hat es gelesen…

John F. Kennedy 1963/ Von Cecil Stoughton, White House
Eigentlich hätte man nicht erwartet, über John F. Kennedy und das Attentat auf ihn noch etwas Neues zu lesen. In den 50 Jahren seit dem 22. November 1963, als Kennedy im Kreuzfeuer von Verschwörern starb, scheint alles gesagt worden zu sein. Daher habe ich Mathias Bröckers Buch JFK – Staatsstreich in Amerika mit einer gewissen Skepsis in die Hand genommen. Aber schon nach ein paar Seiten hatte ich mich festgelesen, und es wurde ein kurzweiliger Abend – falls man das bei einem Buch mit einem so schrecklichen Thema überhaupt sagen darf.
Zunächst erfrischt der neue Blick auf die Hintergründe des jungen US-Präsidenten: Die Mafia-Verbindungen seines Vaters, die Wahlhilfe der Mafia und anderes mehr. Ja: Tatsächlich war der junge Kennedy nichts weiter als der Kandidat des Untergrundes – vermutlich die einzige Art, auf die man in den USA überhaupt Präsident werden kann. Sein Erfolg war gekauft mit Geld, das der Vater Joe Kennedy mit Alkoholschmuggel und dubiosen Börsenoperationen verdient hatte. Ursprünglich wollte sogar der alte Kennedy selbst Präsident werden, doch dann kuschelte er als US-Botschafter in Großbritannien zu sehr mit den deutschen Nazis, und das Thema »Joe for President« war gegessen.
»Mit dem Geld wäre auch mein Chauffeur Senator geworden«
Doch da der Mafioso Joe, einer der reichsten Männer der USA, sich den Staat nun mal unbedingt zur Beute machen wollte, kamen nun seine Söhne dran. Das war der Moment, als John F.s Karriere als Präsidentenanwärter begann. Der alte Kennedy kaufte ihm eine politische Karriere und eine Kampagne, die sich gewaschen hatte, und erklärte bei der ersten Wahl seines Sohnes in den Senat: »Mit dem Geld hätte auch mein Chauffeur die Wahl gewonnen.« Die meisten dieser
Geschichten sind zwar nicht neu, aber gut herausgearbeitet – und das ist angesichts des undurchdringlichen prämortalen und postmortalen Theorien-Dschungels über den jungen Kennedy schon ein entscheidendes Verdienst dieses Buches.
Denn mal ehrlich: Bei Kennedy und vor allem dem Attentat auf ihn blickt doch keiner mehr durch. Wer hat ihn denn nun umgebracht: Die Mafia, die CIA, das Militär, der Secret Service, die politischen Konkurrenten oder doch die Sowjets oder Fidel Castro? Eben. So was kann man gar nicht aufdröseln, und eine Entscheidung kann man schon gar nicht treffen. Das zweite große Verdienst dieses Buches lautet jedoch, dass es eine äußerst naheliegende Antwort gibt, nämlich: alle zusammen (außer dem Ausland versteht sich, denn das hätte damit einen totalen Krieg riskiert).
Das Besondere an dieser trivial erscheinenden Antwort besteht darin, dass das Buch damit zwischen den Zeilen den Begriff des »Tiefen Staates« in die Diskussion einführt. Denn genau so nennt man jenes Dickicht aus Geheimdiensten, Kriminellen und Politikern, das sich schon zahlreiche Staaten der Welt unter den Nagel gerissen hat. Mit anderen Worten muss man sich nicht für dieses oder jenes Netzwerk entscheiden, sondern man muss begreifen, dass alle zusammen ein viel größeres Netzwerk bilden, und zwar ein vertikales (zwischen verschiedenen Etagen) und horizontales Netzwerk (zwischen verschiedenen Branchen oder Gruppen).
Ein direkter Draht zu Chruschtschow
Die Frage ist nur: Warum sollte der kriminelle und politische Mob ausgerechnet einen Sohn eines der ihren umbringen? Auch diese Antwort gibt Bröckers: weil der junge Kennedy aus dem Ruder gelaufen war. Kaum im Amt, begann er eine eigene politische Persönlichkeit zu entwickeln. Und zwar eine, die seinen einstigen Förderern überhaupt nicht passen konnte. So ließ er 1961 die CIA-gesteuerte Invasion in der kubanischen Schweinebucht scheitern und löste 1962 auf friedlichem Wege die Kubakrise – die gefährliche Konfrontation der beiden Supermächte Sowjetunion und USA.
Um Spannungen direkt abzubauen, etablierte er außerdem einen direkten Draht zu dem sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow auf – unter Umgehung des eigenen Militärs. Ja, in der auf Konfrontation gebürsteten Außenpolitik der Vereinigten Staaten schlug er plötzlich versöhnliche und feinsinnige Töne an, die den Washingtoner Falken überhaupt nicht passen konnten. Mit seinen außenpolitischen Ansichten »lief John F. Kennedy so ziemlich allem zuwider, was dem militärisch-industriellen Komplex und den kalten Kriegern der CIA im Pentagon und im Nationalen Sicherheitsrat hoch und heilig war«, so Bröckers.
Die Geliebte und der Drogen-Papst
Bröckers ist begeistert von der Wandlung Kennedys vom kalten Krieger zur Friedenstaube und zitiert aus Kennedys berühmtem Plädoyer für den Frieden vom 10. Juni 1963, in dem er dem Erzfeind Sowjetunion die Hand reichte: »Keine Regierung und kein Gesellschaftssystem sind so schlecht, dass man das unter ihm lebende Volk als bar jeder Tugend ansehen kann. Wir Amerikaner empfinden den Kommunismus als Verneinung der persönlichen Freiheit und Würde im Tiefsten abstoßend. Dennoch können wir das russische Volk wegen vieler seiner Leistungen … rühmen.«
Die Wahrheit ist: Mit seinen pazifistischen und fast schon revolutionären Ansprachen redete sich Kennedy um Kopf und Kragen. Kennedy entwickelte sich zum Albtraum für den mafiösen militärisch-industriellen Komplex. Aber woher kamen diese einfühlsamen und tiefschürfenden Töne? Der angebotene Erklärungsansatz ist denn auch die eigentliche Innovation dieses Werkes, jedenfalls auf dem deutschen Buchmarkt.
Denn nun gräbt Bröckers eine hierzulande kaum bekannte Geliebte und enge Beraterin Kennedys namens Mary Meyer aus, die sich Anfang der 60er Jahre bei dem Drogen-Papst Timothy Leary in LSD-Sitzungen unterweisen ließ. Und zwar mit dem erklärten Ziel, die erworbenen Fertigkeiten an »einflussreiche Persönlichkeiten« in Washington weiterzugeben: »Ich habe einen Freund, einen sehr wichtigen Mann«, soll sie zu Leary gesagt haben. »Er möchte es selbst versuchen, und so bin ich hier, um zu lernen, wie man’s macht.« – »Warum bringen Sie Ihren Freund nicht gleich für ein paar Tage mit, damit er sich das Projekt mal ansehen kann?«, soll Leary gefragt haben. Antwort: »Das kommt leider nicht infrage. Mein Freund ist eine Person des öffentlichen Lebens. Das ist einfach unmöglich.«
Eine Lösung à la Washington
War John F. Kennedy der geheimnisvolle Freund, von dem Meyer gegenüber Leary sprach? Hat Kennedys Geliebte Mary Meyer ihm die »Flower-Power-Droge« LSD nahe gebracht? Verschiedene Kennedy-Experten sind dieser Meinung, und auch Bröckers legt es zumindest nahe. Zu viel Tiefe und pazifistische Perspektive scheinen Kennedys Reden und Handeln damals gewonnen zu haben. Leary behauptete später, Meyer habe ihn nach dem Attentat auf Kennedy vom 22. November 1963 völlig verzweifelt angerufen und gesagt: »Sie konnten ihn nicht mehr kontrollieren. Er veränderte sich zu schnell … Sie haben alles vertuscht. Ich werde zu dir kommen. Ich habe Angst. Pass auf dich auf.« Was sich ganz so anhört, als hätte der mafiös-industrielle Komplex damals die Notbremse gezogen. Und Mary Meyer hatte auch noch ganz zu Recht Angst. Die Frau wusste einfach zu viel. Nur elf Monate nach Kennedy wurde sie am 12. Oktober 1964 am Ufer des Potomac in Georgetown mit zwei Schüssen in Kopf und Herz ermordet. Eine Lösung à la Washington…
Mathias Bröckers; JFK – Staatsstreich in Amerika; Gebunden, 287 Seiten
Artikelnummer: 119671; Preis: 19,99 €

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