Ob‘s hilft? Wenige Tage vor der Bundestagswahl vom 22. September 2013 schmeißt sich Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an die Siegermächte USA, Frankreich und Großbritannien ran: Für den Giftgasangriff vom 21. August in Syrien sei wohl das Assad-Regime verantwortlich, ließ er sich vernehmen. Eine Verzweiflungstat kurz vor dem Aus für die FDP?

Guido Westerwelle 2009/Von Dirk Vorderstraße
Der gute Guido ist schließlich ein gebranntes Kind. Kurz nach seiner Enthaltung bei der Abstimmung über eine UN-Resolution gegen Libyen am 17. März 2011 wendeten sich die Systemmedien gegen die FDP und ließen fortan kein gutes Haar mehr an den Liberalen. Die
Partei wurde von da an in der Luft zerrissen, und bis heute haben die Meinungsmacher sie nicht mehr aus ihren scharfen Klauen entlassen.
Das Desaster bei den bayerischen Landtagswahlen vom 15. September 2013 ist dafür ein deutliches Zeichen. Auch vor dieser Wahl wurde die FDP von den Medien verdammt, von Kabarettisten veräppelt und von System-Moderatoren durch den Kakao gezogen. Im Fernsehen ist die Partei inzwischen ein Running Gag, bei dessen bloßer Erwähnung das Publikum in Schenkelklopfen und Gelächter ausbricht. Und das fing wie gesagt am 17. März 2011 an. Blenden wir kurz zurück:
Ärger mit den Alliierten
Mit seiner Enthaltung über die »Flugverbotszone« in Libyen am 17. März 2011 hatten es sich Westerwelle und die FDP mit den entscheidenden globalen Eliten verscherzt. Schon am nächsten Tag bliesen die Medien zum Halali auf ihn und die FDP. »Deutschlands feige Außenpolitik«, schlagzeilte zum Beispiel die Zeit (online). Das Leib- und Magenblatt der Bilderberger, auf deren Konferenzen die Zeitung seit Jahrzehnten in zentraler Position vertreten ist, führte die Front der Westerwelle- und FDP-Hasser künftig an: »Feige« und »verantwortungslos« sei Westerwelles Einstellung, schäumte das Blatt: »Diese verantwortungslose Haltung wird Folgen haben, nicht nur beim Ansehen Deutschlands bei den Demonstranten der Freiheitsbewegungen.« Habe sich Westerwelle zuvor noch an die Seite der libyschen »Freiheitsbewegung« gestellt, stehe Deutschland nun »an der Seite von Russland und China, Brasilien und Indien«. Noch nie habe »Deutschland sich gegen alle seine wichtigen westlichen Partner gestellt«.
Eine Kampagne zeigt Wirkung
Was fast wie eine Kriegserklärung an die Freien Demokraten klang. Und die Kampagne zeigte Wirkung: War die FDP noch 2009 auf dem Gipfel des Erfolges, wendete sich kurz nach der UNO-Abstimmung vom 17. März 2011 plötzlich das Blatt. Binnen vier Wochen, von einer Landtagswahl auf die andere, fuhr die FDP nur noch massive Verluste ein. Schon am 20. März 2011 scheiterte die Erfolgspartei in Sachsen-Anhalt plötzlich an der Fünf-Prozent-Hürde.
Am 27. März mussten ihre Abgeordneten auch in Rheinland-Pfalz ihre Landtagsbüros räumen. Am selben Tag stürzte die Partei auch in Baden-Württemberg von satten 10,7 auf 5,3 Prozent ab und konnte nur mit knapper Not im Landtag bleiben. Am 22. Mai 2011 flog die FDP in Bremen raus und am 4. September in Mecklenburg-Vorpommern – nachdem ihre Stimmenanteile auf ein Drittel geschrumpft waren. Am 18. September 2011 verlor die FDP bei der Senatswahl in Berlin schließlich fast sechs Prozentpunkte und entwickelte sich mit 1,8 Prozent zur Splitterpartei. Auch 2012 ging es so weiter. Am 6. Mai purzelte die FDP bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein von 14,9 auf nur noch 8,2 Prozent. Erst bei den nächsten Wahlen am 13. Mai 2012 in Nordrhein-Westfalen gelang den Liberalen wieder ein bescheidenes Plus von 1,9 Prozentpunkten (auf 8,6 Prozent).
Die Systemmedien vergessen nicht
2013 gab es einen weiteren Hoffnungsschimmer: Nach der beispiellosen Talfahrt der letzten Jahre erzielte die FDP bei den Landtagswahlen in Niedersachsen am 20. Januar 2013 9,9 Prozent gegenüber 8,2 Prozent 2008, also ein Plus von 1,7 Prozentpunkten. War die FDP etwa wieder im Kommen? Nichts da: Kurz darauf – am 24. Januar 2013 – brachte der Stern die »Sexismus-Affäre« des FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle ins Rollen und die FDP damit erneut auf den absteigenden Ast. Tja – die Systemmedien vergeben und vergessen eben nicht – und dabei geht es nicht etwa um »Sexismus-Affären«, sondern um Illoyalitäten gegenüber den Alliierten. 2011 war schließlich auch Westerwelle selbst abgewickelt worden. Nach der massiven Hetzjagd und den Verlusten bei drei Landtagswahlen verzichtete er auf dem FDP-Parteitag vom 13. Mai 2011 auf eine erneute Kandidatur als Parteivorsitzender. Auch als Außenminister wurde er kaltgestellt und taucht seitdem kaum noch als außenpolitische Größe auf. Vor der Bundestagswahl am 22. September 2013 geht es um drei Dinge:
Und da wäre die FDP aus ihrer Sicht ja wohl mit dem Klammersack gepudert, wenn sie nicht ihre Lehren aus dem Desaster von 2011 ziehen würde. Und so ist auch zu verstehen, dass sich der deutsche Außenminister diesmal lieber auf die Seite der drei Weltkriegsmächte (USA, Frankreich, Großbritannien) stellt, die bereits zwei Weltkriege »erfolgreich absolviert« haben: »In der Frage, welche Kriegspartei hinter den Giftgasangriffen in der syrischen Hauptstadt Damaskus steckt, schließt sich Deutschland der Meinung der USA an«, hieß es auf der Website von n-tv am 18. September 2013. »Die Indizien sprechen dafür, dass das Assad-Regime hinter diesem Tabubruch steht«, sagte Westerwelle demnach der Süddeutschen Zeitung.
Westerwelle spannt den Abzug
Damit verkauft Westerwelle seine eigene und die Seele der FDP für einen Wahlerfolg in letzter Minute. Zwar wäre das wohl kaum das erste Mal in der Geschichte der Parteien. Aber gleichzeitig lädt Westerwelle damit den Tod von Tausenden von Menschen auf sein Gewissen. Denn natürlich spannt er mit seiner Unterstützung für die westlichen Kriegstreiber in Syrien den Abzug und schließt sich jener Fraktion an, die den angeblich 1400 Giftgastoten in Damaskus Zehntausende, wenn nicht Hunderttausende von Toten hinterher schicken will – und zwar durch einen amerikanischen Angriff und die dadurch entstehende Katastrophe.
Ob diese Katastrophe lokal oder regional bleibt, ist dabei offen. Denn des weiteren bewegt Westerwelle die Welt damit einen Schritt weiter in Richtung auf einen Dritten Weltkrieg. In Nordafrika haben sich die Siegermächte des Ersten und Zweiten Weltkriegs schließlich nicht zufällig zusammengetan, sondern deshalb, um ihren Einflussbereich weiter auszuweiten und den Marsch gen Osten anzutreten. Und wie ebenfalls auf dieser Website und auch in meinen Jahrbüchern (verheimlicht – vertuscht – vergessen) bereits dargestellt, ist Syrien für Russland und China genau aus diesem Grund die rote Linie.
Für den Iran, Russland, China und andere stellt Syrien die letzte vorgeschobene Verteidigungslinie dar – Mächte, die auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind, unter anderem in der Shanghai Cooperation Organization (SCO), wo der Iran Beobachterstatus besitzt. Folgerichtig hat der russische Präsident Wladimir Putin bereits angekündigt, im Falle eines nicht durch die UN legitimierten Angriffs auf Syrien zu reagieren. Wer Ohren hat, zu hören, kann dies durchaus als militärische Drohung verstehen. Ja, er muss es sogar als militärische Drohung verstehen, da dies allmählich zu Russlands und Chinas letzter Option wird.
Für den Wähler kann die Konsequenz aus Westerwelles Liebedienerei daher nur lauten: Auf keinen Fall FDP wählen.
Copyright © 2013 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.
Gerhard Wisnewski
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