In 342 Schulen und Kindergärten in Sachsen, Brandenburg, Berlin und Thüringen erkrankten letzte Woche über 8.000 Kinder an einer Magen-Darm-Infektion. Schuld ist ein Bakterium, meinen die einen, das Novovirus, meinen die anderen. Dabei ist das falsch. Schuld ist wohl eher die Abschaffung der Familie und die zentrale Massenabfütterung von Kindern mit Billigfraß aus Industrieküchen.
Frühe Schulspeisung 1975, wahrscheinlich noch essbar/Bundesarchiv
Bringt die Mutter verdorbenes Fleisch auf den Tisch, wird es ein bis zwei Kindern schlecht. Vielleicht noch einem dritten und auch noch dem Mann. Bringt der Staat verdorbene Lebensmittel auf den Tisch, werden auf einen Schlag Tausende von Kindern krank. Denn wenn die Familie weg ist, wirst du merken, dass der Staat nicht dein Freund ist. Diese Erfahrung müssen immer mehr Menschen in unserem Land machen. Seitdem immer mehr Ehen geschieden werden, Frauen arbeiten und Kinder mittags in Kindergarten und Schule abgefüttert werden, steigt die Erkrankungsgefahr für den Nachwuchs.
Und das ist kein Wunder. Denn während Schulen und Kindergärten Geld sparen wollen, wollen die Zulieferer natürlich Profite machen. Dass dabei das Essen auf der Strecke bleibt, ist nur logisch, denn diese Profite können nur auf Kosten der Kinder gemacht werden. »50 Cent, so viel bleibt etwa in Berlin für den Einkauf der Ware pro Schüler und Mahlzeit, wenn alle anderen Kosten abgezogen sind«, rechnete Spiegel Online vor. Aber nicht nur, dass das Kita- und Schulessen häufig billig und schlecht ist und die Kinder mit lieblos zubereitetem Fraß abgefüttert werden – durch die zentrale Zubereitung von Tausenden von Mahlzeiten können bei Verunreinigungen natürlich auch Tausende von Kindern krank werden.
Und das ist das Gesetz der allgegenwärtigen Entgrenzung. Wo die einzelnen Organisationszellen des Staates aufgelöst werden, wird aus Vielfalt und Dezentralisierung Monotonie und Zentralisierung – mit allen damit verbundenen Gefahren. Wo im Idealfall früher 30 Kinder einer Schulklasse zu Hause mittags 30 verschiedene Mahlzeiten aus 30 verschiedenen Quellen bekamen (Metzger, Supermarkt, Gemüsehändler), bekommen heute glatt mehrere tausend Kinder denselben profitmaximierten Fraß aus derselben Quelle. Um die geschmackliche Qualität muss sich der Zulieferer, anders als Mutter oder Vater, im Allgemeinen ja nicht groß scheren. Da es für die meisten Kinder keine Alternative gibt, muss es sowieso nicht schmecken. Und auch in Sachen Verträglichkeit kann man an die Grenze des Erlaubten gehen – und manchmal auch darüber. Denn verantwortlich gemacht werden kann nicht mehr ein lokaler Metzger oder Lebensmittelmarkt, sondern eine anonyme und alternativlose Massenküche, wie in diesem Fall Sodexo, nach eigener Darstellung »führend bei Lösungen für die Lebensqualität im Alltag«.
Mittagessen vom Mampf-Multi
Laut Welt Online wurden alle betroffenen Einrichtungen »von demselben Essenslieferanten versorgt: dem Caterer Sodexo aus Rüsselsheim«. Aber: »Es liegen aktuell keine Ergebnisse vor, die belegen, dass eine Erkrankung durch unser Essen oder eine Übertragung durch unsere Mitarbeiter in den beliefernden Küchen erfolgt ist«, setzte sich Sodexo in einer Stellungnahme vom 27. September 2012 zur Wehr. Wenn, dann gibt es diese Belege nur empirisch oder statistisch. Und zwar insofern, als offenbar eben fast ausschließlich Sodexo-Kunden von dem Desaster betroffen waren. Quelle und Weg des Erregers im Nachhinein nachzuvollziehen, ist trotz »Rückstellproben« schwer möglich. Die Mahlzeiten wurden inzwischen gegessen oder weggeworfen, die Küchen und Töpfe desinfiziert.
Was wenige Eltern wissen (und den meisten auch egal sein dürfte): Sodexo ist ein global tätiger Mampf-Multi aus Frankreich und beglückt nicht nur Kindergartenkinder, Schüler und Studenten mit seinen Erzeugnissen, sondern auch Krankenhäuser und Knastinsassen und scheffelt dabei pro Jahr weltweit 16 Milliarden Euro Umsatz. Laut Welt beliefert der Massenabfütterer hierzulande täglich die unfassbare Zahl von 2.000 Schulen und Kindertagesstätten. Wie viele hungrige Mäuler er dabei zuspachtelt, kann sich jeder selbst ausrechnen. Wenn sich bei einer Verunreinigung an die zehntausend Kinder auf den Toiletten krümmen würden, wäre das kein Wunder. Sodexo gibt sich dagegen unbekümmert: »Wir haben keine Bedenken, ab Montag wieder Essen auszugeben«, erklärte ein Sodexo-Sprecher der Welt. »Sämtliche Sodexo-Großküchen seien bereits desinfiziert worden.« Na, dann Mahlzeit.
Copyright © 2012 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.