Am 6. April 2012 wurde die Leiche des Schauspielers Michael Dorn aus der Glienicker Lake bei Berlin gefischt. Dorn und die 2010 ebenfalls durch Erhängen gestorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig hatten einen gemeinsamen Freund. Dorns Leiche war stark verwest, um den Hals trug er ein Seil. Die Hände waren auf dem Rücken gefesselt, enthüllte die Berliner Staatsanwaltschaft jetzt gegenüber Gerhard Wisnewski. Suizid, erklärten die Ermittler.
Man schreibt den 6. April 2012. Gegen 14.15 Uhr sind in der Glienicker Lake bei Berlin zwei Freizeitsportler mit ihrem Kanu unterwegs. Etwa 40 bis 50 Meter vom Ufer entfernt sehen sie plötzlich etwas, das sie zunächst für eine Schildkröte halten: eine runde Form, die aus dem Wasser ragt. Beim Näherkommen stellen sie jedoch fest: Es handelt sich nicht um den Panzer einer Schildkröte, sondern um das Schädeldach eines im Wasser treibenden Menschen. Es ist der seit dem 10. März 2012 vermisste Schauspieler Michael Dorn (»Gute Zeiten, Schlechte Zeiten«).
Dorn verschwand auf ganz ähnliche Weise wie die 2010 verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig. Am 10. März 2012 wurde er zuletzt gesehen, am 13. März wurde Vermisstenanzeige erstattet. Genau wie bei Heisig wurde sein Auto verlassen aufgefunden, und zwar an der Glienicker Brücke, unweit des späteren Leichenfundorts. Genau wie bei Heisig ergab eine im Umfeld des Autofundorts eingeleitete Suchaktion nichts. Obwohl »das Gebiet rund um die Brücke… mit Spürhunden, Tauchern und Beamten der Wasserschutzpolizei …. weiträumig abgesucht wurde« (bild.de, 25.3.12) und das Wasser hier nur ein bis zwei Meter tief ist, fanden die Beamten nichts. Auch die Leiche der Jugendrichterin war zunächst nicht gefunden worden, obwohl die Polizei exakt am späteren Fundort suchte. Genau wie die Jugendrichterin wurde auch Dorn erhängt beziehungsweise mit einem Seil um den Hals aufgefunden. Das andere Ende des Seils fand sich an der Glienicker Brücke. In seiner Wohnung entdeckte die Berliner Polizei angeblich einen Abschiedsbrief.

Der verlassene Wagen von Michael Dorn an der Glienicker Brücke im März 2012
Fotos: Riedel
Doch genau wie bei Heisig gibt es auch bei diesem Selbstmord einige Fragen. In diesem Fall:
Wer Zugang zu Schusswaffen hat, wählt normalerweise kaum den quälenden Erhängungstod. Auf der anderen Seite ist ein fingierter Selbstmord durch Erhängen mit anschließendem Fall ins Wasser die ideale Methode, um jemanden aus dem Weg zu räumen ohne Spuren zu hinterlassen. Kugeln und Patronenhülsen gibt es nicht; Fasern, DNS und andere Anhaftungen werden abgewaschen. Eine längere Liegezeit sorgt für weitgehende Verwesung. Das Wichtigste ist aber wohl, dass Dorn und Heisig einen gemeinsamen Bekannten hatten. Was umgekehrt bedeutet, dass im Umfeld dieses Bekannten zwei Menschen in kurzer Zeit auf ganz ähnliche Weise verschwanden und »Selbstmord« begingen. Ein seltsamer Zufall. Oder steckt mehr dahinter? Wenn ja, dann wird jede Heisig-Spur auch zur Dorn-Spur und umgekehrt. Und nachdem der Selbstmord von Frau Heisig im Grunde widerlegt ist, stellt sich nun die Frage nach den wirklichen Todesumständen von Michael Dorn.

Blick ins Innere des Dorn-Wagens
Foto: Riedel
Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Berlin vom 19. September 2012 war Dorns Leiche stark verwest, die Beurteilbarkeit des Leichnams »aufgrund der weit fortgeschrittenen Fäulnisveränderung der inneren Organe stark erschwert«. In der Lunge fand sich ein Lungenödem, am Hals eine Strangmarke mit Knoten, aber »keine Hinweise auf eine stumpfe oder scharfe Gewalteinwirkung durch fremde Hand«. Als Todesursache gilt ein so genanntes »atypisches Erhängen« – »atypisch« wegen der gefesselten Hände auf dem Rücken. Und diese geben denn auch zu denken – genau wie die Frage, warum sich der angebliche Waffennarr Dorn nicht lieber mit einem Kopfschuss das Leben nahm als sich einer komplizierten und quälenden Prozedur an einer Brücke zu unterziehen. Tatsächlich ist eine Fesselung der Hände mit mehreren Kabelbindern auf dem Rücken schwer vorstellbar. Dazu müsste zunächst die Halsschlinge angelegt werden, um dann die Handgelenke hinter dem Rücken aneinander zu legen und blind mit den Kabelbindern zu hantieren. Dabei müsste ein Kabelbinder um die Handgelenke gelegt, das eine Ende in die kleine Öse am anderen Ende eingeführt und der Kabelbinder anschließend festgezurrt werden. Die weiteren Kabelbinder müssten dann auf dieselbe Weise eingefädelt und festgezurrt werden – und zwar blind und mit bereits gefesselten Händen. Etwas einfacher wäre die Sache vielleicht mit einem Doppelkopfkabelbinder, mit dem sich zwei Schlaufen für die Handgelenke bilden lassen. Allerdings ist im Obduktionsbericht explizit von »Kabelbindern« im Plural die Rede.
»Finden sich an der Leiche Fesselungen, so ist dies zunächst immer verdächtig auf eine Fremdeinwirkung«, schreiben die Gerichtsmediziner Brinkmann und Madea in ihrem Handbuch gerichtliche Medizin. Fesselungen werden demnach »sowohl beim Homizid als auch beim Suizid und Unfall (zum Beispiel spielende Kinder, autoerotische Betätigung) beobachtet«. Tatsächlich gibt es auch Erhängungs-Selbstmorde mit auf dem Rücken gefesselten Händen, wobei die Selbstmörder offenbar große Mühen darauf verwenden, die Hände unbeweglich zu machen, um sich später nicht mehr selbst retten zu können. Inwieweit dabei auch die in dieser Situation schwierig zu handhabenden Kabelbinder benutzt werden, ist fraglich. Sicher dagegen ist, dass Kabelbinder bei Polizei, Sicherheitsbehörden und Sondereinsatzkommandos zum täglichen Handwerkszeug gehören, um Personen schnell, unkompliziert und sicher zu fesseln (»Plastikfesseln«).
Wie geht es nun im Fall Dorn weiter? Gar nicht: Angeblich hatte Dorn vor seinem Verschwinden Probleme, die für einen Suizid sprechen. Der von der Berliner Polizei gefundene Abschiedsbrief gilt als echt, laut Obduktion steht ein »suizidales Geschehen … im Vordergrund.« Eine hundertprozentige Sicherheit besteht damit allerdings nicht.
Weitere Informationen:
Copyright © 2012 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.