Wie kürzlich berichtet, ermöglichten die Anschläge des 11.9.2001 eine Generalsanierung des WTC-Komplexes. Aus alten, asbestverseuchten Bürotürmen werden schöne neue Wolkenkratzer. So weit, so gut. Weniger gut ist: Larry Silverstein, Pächter und Bauherr des Komplexes, kriegt seine neuen Büroflächen nicht los. Die Gründe sind ziemlich naheliegend…
Neuer World Trade Center-Turm/Von Joe Mabel
»Niemand will ins neue World Trade Center ziehen«, überbrachte am 10. September 2012 das Handelsblatt die Hiobsbotschaft. Das Desinteresse ist derart, dass die ursprünglich geplanten Bauprojekte an der Südspitze Manhattans ins Stocken geraten sind. Eigentlich sollten an »Ground Zero« (nach der Fertigstellung des neuen Gebäudes Nr. 7 2006) bis 2013 oder 2014 noch vier Türme hochgezogen werden: WTC 1 mit 541 Metern Höhe, WTC 2 mit 411 Metern, WTC 3 mit 378 Metern und WTC 4 mit 297 Metern. Sinnigerweise entspricht die Höhe von Turm 1 (1.776 Fuß) dem Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, was man wohl als reinen Zynismus verstehen darf.
Aber siehe da: »Statt der geplanten vier Wolkenkratzer werden es erst einmal nur zwei. Turm zwei und drei werden vorerst kleine Stumpen bleiben. Erst wenn sich genügend Mieter und Geldgeber finden, werden die 88 und 80 Stockwerke hohen Wolkenkratzer weitergebaut werden. Und das kann dauern.«
Sauber – und warum? Der Grund für die Bauverzögerung ist demnach schlicht das Desinteresse des Marktes. Obwohl der Büroraum zu Schnäppchenpreisen verschleudert werde (750 Dollar pro Quadratmeter statt 1.200 Dollar, wie etwa in Midtown üblich), gebe es einfach nicht genügend Interessenten. »Die Krise in Europa macht viele Unternehmen zögerlich«, meint das Handelsblatt. »Einige scheuen zudem den Umzug an die Südspitze Manhattans. Das Bürozentrum in Midtown gilt nach wie vor als attraktiver für Berater, Anwälte und Banker, weil sie dort näher an ihren Kunden sein können.« Vielleicht. Auf der anderen Seite: Ist das wirklich der Grund für die Zurückhaltung? Denn was könnte es Attraktiveres und Prestigeträchtigeres geben, als in Amerikas neuem Wahrzeichen zu residieren – den neuen Türmen des World Trade Centers?
Deshalb liegt die wirkliche Erklärung auch ganz woanders: Wenn man die neuen Türme in der berühmtesten Baulücke der Welt emporwachsen sieht, beschleicht einen nun mal ein mulmiges Gefühl. Waren ihre Vorgänger doch das bevorzugte Ziel zu allem entschlossener Terroristen. Müssen die neuen Büromonster nicht erneut als Provokation und Verlockung zugleich erscheinen? Zumal auch noch die Möglichkeit besteht, dass der eigene Vermieter in die Sprengung der Türme verwickelt war? Zwar hat man ja schon eine Menge von brutalen »Entmietungen« gehört, aber diese war nun doch der Gipfel. Die letzten Mieter wurden ziemlich rüde rausgeworfen; die beiden Türme wurden ihnen sozusagen unter dem Allerwertesten weg gesprengt. Ob auch dabei »Dirty Larry« Silverstein den Befehl beziehungsweise die Genehmigung gegeben hat (wie bei Gebäude Nr. 7), ist Gegenstand der Diskussion. Aber solange das nicht geklärt ist, kann man die Zurückhaltung der Mieter durchaus verstehen…
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Gerhard Wisnewski
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