Denunzianten haben Hochkonjunktur. Seit ungefähr 24 Stunden staunen YouTube-Nutzer nicht schlecht, wenn Sie mein Video über das gefälschte Foto der Osama-Leiche aufrufen wollen. Osama bin Laden wurde bekanntlich angeblich am 1. Mai 2011 von US-Sonderkommandos in Pakistan erschossen. Statt des Videos sehen sie aber nur eine Meldung, aus der sich ergibt, dass der Film für Nicht-YouTube-Mitglieder gesperrt wurde. Und zwar, weil das Video «von der YouTube-Community gemeldet wurde».
«Dieser Content enthält eventuell Material, das von der YouTube-Community gemeldet wurde und möglicherweise für manche Nutzer unangemessen ist», kann man in dem Hinweis lesen. «Um dieses Video oder diese Gruppe anzuzeigen, bestätige bitte durch deine Anmeldung oder bei der Kontoerstellung, dass du 18 oder älter bist.»
Zensur à la YouTube: irgendwelche Nutzer melden einen Inhalt, der ihnen nicht passt oder als unangemessen erscheint. Daraufhin wird das Video für alle Nicht-YouTube-Mitglieder und alle youtube-Mitglieder unter 18 Jahren gesperrt. Das hat folgende Konsequenzen:
Das heisst: Offenbar kann man auf YouTube durch simple Denunziationen Videos sperren lassen. Wie viele Videos wurden auf diese Weise schon gesperrt?
(hier haben wir das Video jetzt auf dieser Seite bereit gestellt:)
{flv}Obama-Osama{/flv}
Meine Bitte: Wenn Sie Mitglied bei YouTube sind: Laden Sie das Video herunter und woanders wieder hoch. Wenn Sie es bei YouTube wieder hoch laden, müssen Sie die Grösse der Datei geringfügig ändern, denn YouTube erkennt Videos daran wie an einem Fingerabdruck. Schreiben Sie zweitens bitte an press@youtube.com, und fordern Sie die Aufhebung der Sperrung. Und betten Sie das Video in Ihre Seite ein, dann bleibt es offenbar (wie hier) weiter zugänglich.
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=jp4jFTVoscY
Das bringt mich auf einige grundsätzliche Überlegungen zu diesem Video-Portal:
Von Gerhard Wisnewski
Eine merkwürdige Szene: Bei strahlendem Sonnenschein gehen George W. Bush und sein Pressesprecher Scott McClellan auf dem Rasen des Weißen Hauses in dunklen Anzügen nebeneinander her auf die Mikrophone zu. Ihre Schritte demonstrieren Spannkraft und Entschlossenheit, aber als Bush kurz winkt, wirkt dies künstlich, unsicher und zurückhaltend – sein puppenhaftes Winken geht ins Leere, er scheint niemanden zu meinen.
So begann gestern ein großes Reinemachen im Weißen Haus. Ob dies dadurch wirklich sauberer oder vielmehr noch verrotteter wird, als es ohnehin schon ist, ist natürlich die große Frage.
Die entschlossenen Schritte und vor allem McClellans Lächeln sollen wohl Zuversicht demonstrieren, das Ganze macht aber einen schwer definierbaren, armseligen Eindruck. Es hat etwas Trotziges – wie ein Pfeifen im dunklen Walde. Die beiden kommen daher, als würden sie sich bestens verstehen, wechseln ostentativ ein paar Worte.
Dann bleiben sie vor den Mikrophonen stehen, und wenn ich das sage, dann meine ich das wörtlich. In einer Frontalaufnahme der beiden sieht man von unten die Mikrophone ins Bild ragen, und unwillkürlich hat man das Gefühl, ein paar Assistenten würden nur einige Besenstile mit Windschutz ins Bild halten. Man sieht keine Leute, keine Hände, keine Köpfe, nichts. Von McClellans und später Bushs Worten abgesehen, gibt es auch keine Geräusche. Die anwesende Presse wird nur durch die ins Bild ragenden Mikrophonköpfe repräsentiert, die zudem anonym bleiben. Interessanterweise sehen die Mikrophonköpfe in Form und Farbe völlig identisch aus – so, als wären nicht die verschiedensten Medien anwesend, sondern bloß die einer einzigen «Firma». Gespenstisch.
«Guten Morgen zusammen», sagt McClellan, «ich bin hier, um bekannt zu geben, daß ich als Pressesprecher des Weißen Hauses zurücktreten werde. «Mr. President», sagt er dann und wendet sich an die Präsidentenpuppe neben ihm, es sei eine große Ehre und ein großes Privileg gewesen, ihm für nunmehr sieben Jahre zu dienen. Davon zwei Jahre und neun Monate als Pressesprecher. Das Weiße Haus befinde sich in einer Phase des Übergangs, erklärt McClellan nebulös. Wandel könne hilfreich sein, würgt er heraus, es sei eine gute Zeit und eine gute Position dafür. Er habe viel erreicht, wendet sich McClellan wieder an Bush, der plötzlich wirkt wie ein Schulbub, der ein Lob seines Lehrers einheimst. Als McClellan sagt, er sei stolz, ein Teil dieses grandios talentierten Teams gewesen zu sein, wirkt es nur wie Hohn. «Terrific» kann ja auch beides heißen: fürchterlich und schrecklich ebenso wie grandios und sagenhaft.
Die Farce schwingt in jedem Wort und in jeder Geste mit. Sie ist unaufhörlich und unentrinnbar gegenwärtig, so als würde jemand im Hintergrund ein Schild mit der Aufschrift «Schwachsinn!» hochhalten – und die beiden Redner würden es genau wissen. Ihre Beziehung habe einst in Texas begonnen, und er freue sich darauf, sie dort fortzusetzen, sagt McClellan, besonders, wenn sie beide wieder zurück in Texas seien – was so klingt, als würde Bush ihm bald nachfolgen. Bush überspielt die Peinlichkeit mit seinem dreckigen und heiseren Cowboylachen, das er in unzähligen Saloon-Stunden erworben haben mag. Da fängt sich auch McClellan und sagt, er hoffe natürlich, vor Bush dort zu sein.
Nachdem sich beide die Hand geschüttelt haben, kommt Bush an die Reihe. Es sei eine herausfordernde Aufgabe gewesen, sagt er erst zögerlich, dann plötzlich ironisch werdend, und macht eine Handbewegung in Richtung der Mikrophone, «mit Ihnen allen täglich umzugehen.» Die Mikrophone fühlen sich nicht angesprochen und zeigen kein Anzeichen einer Regung. McClellan repräsentiere wirklich, sagt Bush und stockt, das Beste seiner Familie, seines Bundesstaates und seines Landes. Schon wieder klingt alles gelogen, da hilft auch die hölzerne Handbewegung nicht. Es werde schwierig sein, McClellan zu ersetzen, sagt Bush und stockt erneut. Aber nichtsdestotrotz habe McClellan die Rücktrittsentscheidung getroffen, und er – Bush – akzeptiere das. Auch das wirkt gelogen. Es folgen noch ein paar künstlich auflockernde Worte, ein Händedruck – das war’s. Die Mikrophone stellen keine Fragen. Dann gehen beide nach links davon. Die Kamera schwenkt stumm hinterher, als könne sie das Ganze nicht fassen. Fertig ist der kleinste, anzunehmende Fußtritt – beziehungsweise Rücktritt.
Dem Vernehmen nach soll es größere personelle Umstellungen im Weißen Haus geben. Daß sie die Politik der Vereinigten Staaten zum Besseren wenden, kann man vielleicht hoffen, aber sicher nicht erwarten.
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.