Die Sicherheitsbehörden machen mobil – allerdings nicht gegen den Terror, wie uns die Medien einreden. In Wirklichkeit geht es um Etatkürzungen und den eigenen Bedeutungsverlust. Just rechtzeitig zu den Haushaltsberatungen am 25. November 2010 putschte das Bundesinnenministerium gegen finanzielle Einschnitte im eigenen Etat und beschwor eine geheimnisvolle »Terrorgefahr« herauf.
Innenminister de Maizière am 22. November bei »Beckmann«
25. November 2010. In Berlin herrscht Belagerungszustand. Der Bundestag ist von Polizei umzingelt. Besucher und Abgeordnete blicken in die Mündungen von Maschinenpistolen. Zwischen den Absperrgittern patrouilliert berittene Polizei. Polizisten mit MPs und Schutzwesten kontrollieren »die Ausweise und Taschen von Politikern, Journalisten und Besuchern« (noows-Nachrichten). »Angesichts der erhöhten Bedrohungslage« hat Bundestagspräsident Norbert Lammert »versichert, dass das deutsche Parlament sich nicht einschüchtern lasse«, heißt es bei der Nachrichtenagentur Reuters. »Der Deutsche Bundestag wird sich von niemandem und von nichts an der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Verpflichtungen hindern lassen«, betonte der CDU-Politiker trotzig.
Doch keine Angst – das ist nicht etwa ein Putsch. Sondern eine »Haushaltsdebatte im Zeichen der Terrorgefahr« (Süddeutsche Zeitung). Denn Terrorgefahr herrscht hierzulande wirklich. Und zwar sollen die »Sicherheitsbehörden« von sparwütigen Abgeordneten terrorisiert werden. Dem BND sollen 2011 acht Millionen Euro gestrichen werden, dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) drei Millionen. Bei der Bundespolizei sollen 600 Stellen wegfallen.
Wie gut, dass man gerade noch rechtzeitig einen verdächtigen »Bombenkoffer« in Namibia entdeckt hat, der angeblich mit einer Air-Berlin-Maschine nach München hätte fliegen sollen. Fertig war die »Terrorgefahr«. Natürlich hat man inzwischen auch einen armen Sündenbock gefunden, der den Koffer auf das Gepäckband gelegt haben soll. Aber wie kam der Koffer wirklich dahin? Und wer waren die Drahtzieher? In diesem Zusammenhang ist es interessant, was Innenminister de Maizière sagt – und was er nicht sagt: De Maizière bezeichnete es laut Financial Times als »sehr unwahrscheinlich«, dass deutsche Sicherheitsdienste den Koffer in Windhuk platziert haben. Was jedoch nichts anderes heißt, als dass der Innenminister dies offenbar nicht ausschließen kann.
Es kommt aber noch dicker. Der Reichstag (also genau jener Bundestag, in dem die Haushaltsdebatte stattfindet) wurde sogar explizit bedroht. »Die radikal-islamische Terrororganisation Al-Qaida plant laut Recherchen des Spiegel offenbar einen Anschlag auf den Reichstag«, berichtete am 21. November die BZ. Dazu gab es Schlagzeilen wie »Sturmangriff auf den Reichstag«. Die Abgeordneten können anscheinend wählen: Entweder eine Geiselnahme mit anschließendem Blutbad, ähnlich wie 2008 in Bombay, »oder die Terroristen zünden per Handy eine Bombe«. Tja, wer würde da nicht lieber die dritte Möglichkeit wählen: keine Kürzungen bei unseren »Sicherheitsbehörden«.
Ergo erscheint Al-Qaida plötzlich als bester Verbündeter von Polizei und Nachrichtendiensten. Denn schließlich war ja auch »Ende November« laut de Maizière »einer der denkbaren Zeiträume« für einen Terroranschlag. Also just der Zeitpunkt der Haushaltsdebatte im Bundestag.
Wir kennen solche Einschüchterungsversuche auch aus anderen Ländern, beispielsweise den USA. Da wurden kurz nach den Anschlägen des 11.09.2001 plötzlich Anthrax-Briefe an Kongressabgeordnete verschickt. Das Büro des führenden Demokraten Tom Daschle wurde unter Quarantäne gestellt; öffentliche Führungen durch den Kongress wurden ausgesetzt. Der Kongress ließe sich nicht einschüchtern, sagte Daschle damals, ganz ähnlich wie heute Lammert: »Der Senat und seine Institutionen werden nicht aufhören. Wir werden unser Business nicht unterbrechen. Wir werden weiter arbeiten.« Das Anthrax, so stellte sich später heraus, stammte aus US-Militärlabors – also von staatlichen Terroristen. Botschaft verstanden?
Und ob: Die von der Regierung geplanten Einsparungen bei den Sicherheitsbehörden seien eine »schwerwiegende Fehlentscheidung«, gibt der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann den Polizeibehörden geflissentlich Feuerschutz. In der aktuellen Situation rund 600 Stellen bei der Bundespolizei zu streichen und einen »massiven Einschnitt« bei den Geheimdiensten vorzunehmen, sei »völlig unangemessen«, sagte er laut open-report.de. »Die SPD werde mit einem Änderungsantrag versuchen, die Kürzungen rückgängig zu machen.«
Na, wenigstens auf die »Sicherheits Partei Deutschlands« ist Verlass. Denn das Innenministerium und die Terrorbehörden – pardon: Anti-Terrorbehörden – fürchten um Jobs, Geld und Bedeutung. Und da zeigen sie der Bevölkerung und dem Parlament gerne mal ihre Folterinstrumente, respektive ihre Knarren. In Wirklichkeit ist der »Terroralarm« nur ein schlecht getarnter Raubüberfall auf den Bundestag – einschließlich Geiselnahme.
Noch bequemer wäre es, wenn gleichzeitig auch noch die Pressefreiheit eingeschränkt werden würde. Das hat ausgerechnet der Vorsitzende des »Rechtsausschusses« im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), vorgeschlagen. Im Wahlkreis Schwarzwald-Baar wird der Mann regelmäßig direkt in den Bundestag gewählt. Schreiben Sie Kauder (mailto: siegfried.kauder@bundestag.de) doch mal, was Sie von seinen Vorschlägen halten.
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Von Gerhard Wisnewski
Kürzlich hatte ich eine Idee zu einem Film. Was hielten Sie von folgendem Drehbuch: Vor einem Buchladen in einer größeren Stadt stoppt ein Auto. Heraus springt ein Mann, wirft eine Handgranate in den Laden und springt wieder in den Wagen. Der aber wurde in der Zwischenzeit in Windeseile von Passanten umzingelt und wird nun am Weiterfahren gehindert. Die Insassen versuchen, sich den Weg freizuschießen. Es gibt einen Toten und mehrere Verletzte, doch das Fahrzeug kommt nicht von der Stelle. Die Menge zerrt die insgesamt drei Insassen heraus und bricht den Kofferraum des Wagens auf. Darin findet sie drei Kalaschnikows, zwei Handgranaten der Armee sowie einen Geheimdienstausweis und Urlaubsgenehmigungen des Militärs für die drei Männer.
Gut, wie?
Nein? Und warum nicht?
«Zu plump, zu platt. Wenn ein Geheimdienst sowas macht, hat er nicht auch noch die Ausweise im Kofferraum liegen.»
Und ob, denn dieser Fall hat sich wirklich so abgespielt, und zwar im November 2005 in der südostanatolischen Stadt Semdinli. Die gefundenen Ausweise stammten vom Geheimdienst der Gendarmerie JITEM, die Urlaubsscheine vom türkischen Militär.
«Die offenbare Verwicklung von Agenten eines staatlichen Geheimdiensts in einen Terroranschlag löste nationales Aufsehen und heftige Proteste aus, bei denen mindestens vier weitere Menschen von der Polizei getötet wurden», heißt es dazu auf der World Socialist Web Site (WSWS). Was einen hohen General nicht daran hinderte, den wackeren Attentäter als «sehr wertvollen Soldaten» zu loben. Das wiederum brachte dem General eine Anklage wegen Beeinflussung der Justiz und Bildung einer kriminellen Bande ein, «um den EU-Beitritt der Türkei zu verhindern.» (WSWS) Logisch: Ein Land, in dem Anarchie und Chaos herrschen, wäre wohl nichts für die Europäische Union. Jedenfalls noch nicht.
Wahrscheinlich, um sich besser an die EU anzupassen, hat jetzt der türkische Justizminister auch eine Untersuchung eingeleitet. Und zwar gegen den Staatsanwalt, der den General angeklagt hatte. Wegen Amtsmißbrauchs.
Gerhard Wisnewski
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