Wo kommt nur der viele Protest gegen »Stuttgart 21 « her? Ist das alles wirklich spontane Bürgerempörung und vornehmster Ausdruck des Bürgerwillens? Oder handelt es sich vielmehr um mit modernsten Mitteln inszenierte Aufstände nach Art der »bunten Revolutionen « in den ehemaligen Ostblockstaaten? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Gerhard Wisnewski hat sich auf Spurensuche begeben …

Sie heißen »campact! «, »Bewegungsstiftung « oder »Stiftung GEKKO «. Sie kämpfen für das Wahre, Schöne und Gute. Den Protest gegen »Stuttgart 21 « heizen sie ebenso professionell an, wie den gegen Atomkraft oder Gentechnik. Nach dem Vorbild der USA und Großbritanniens schießen in Deutschland private Gutmenschen-Stiftungen wie Pilze aus dem Boden und organisieren bzw. finanzieren den Widerstand nach Art der »bunten Revolutionen « in den ehemaligen Ostblockstaaten mit modernsten Mitteln: übers Internet. Mit professionellen Websites und Unterschriftenaktionen, ja, teilweise sogar mit bezahlten Profi-Demonstranten.
Sie sammeln im großen Maßstab Geld und stampfen anschließend Kampagnen gegen rechtsstaatlich abgesegnete Projekte und Entscheidungen aus dem Boden: mit Umfragen, Unterschriftenaktionen, Petitionen, Appellen, Demonstrationen, Plakaten und Zeitungsanzeigen. Das kann man gut finden oder auch nicht. Auf jeden Fall hat eine derart wachsende Meinungsmacht Beobachtung verdient. Denn diese »Nicht-Regierungs-Organisationen « bündeln Proteste derart wirksam, dass sie eine zweite Form der außerparlamentarischen Regierung konstituieren. Mit ihrer professionellen Kampagnenpower kämpfen Organisationen wie »campact! « erst für Volksentscheide und dann für das gewünschte Ergebnis. Die Kampagne gegen »Stuttgart 21 « reiht sich ein in so absurde Ziele wie den »Klimaschutz «. Spätestens da sollte man misstrauisch werden.
Auf der Seite von »campact! « findet man in einem Formular eine fix und fertig vorbereitete E-Mail an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus mit der Forderung nach einem Baustopp bei dem neuen Stuttgarter Tiefbahnhof »Stuttgart 21 «. Nur noch Namen und Adresse eintragen, und ab geht’s. Wenn man auf den Button »E-Mail versenden « drückt, geht die Mail an den Ministerpräsidenten. Dieses Services kann man sich zwar auch als »Stuttgart 21 «-Befürworter bedienen, indem man den Betreff und den Mail-Text an den Ministerpräsidenten verändert. Da kommen allerdings wohl die wenigsten drauf. Nach dem Versenden der E-Mail landet man in einem anderen Mailformular, mit dem man gleich fünf Freunde zum Mitmachen auffordern kann.
Anschließend landet man nun auf einer Spendenseite, wo es »Zur Spende via Kreditkarte « geht. Unter diesem Link kann man auch per Lastschrift spenden; die vorbereiteten Spendenbeträge muss man nur noch anklicken: 20, 30, 50, 100 oder 200 Euro. Natürlich kann man aber auch einen individuellen Betrag eintragen. Am Ende der Seitenkette landet man auf einer Dankesseite mit Links zu weiteren »campact! «-Aktionen. Für jeden ist was dabei im Protestsupermarkt. Hier kann man zum Beispiel wählen zwischen »Klima «, »BP-Ölbohrung « oder einer generellen Unterstützung von »campact! «.
Da diese Art von Protest von der Stange nur einen sehr geringen Aufwand erfordert, kommen auf diese Weise plötzlich enorme Zahlen zustande. Bereits 187.000 Mal soll die Protest-Mail an den Ministerpräsidenten bis zum 30. Oktober 2010 verschickt worden sein. Der wird sich angesichts des fast immer gleichen Textes seinen Teil denken. Die Verantwortlichen wissen, dass sie es nicht nur mit einem spontanen Bürgerprotest, sondern mithilfe von mit modernsten Mitteln agitierten Menschen und inszenierten Kampagnen zu tun haben.
Während das Prostest-Portal »campact! « Spenden direkt in Aktionen umsetzt und sich um die Mobilisierung auf niedrigstem Niveau kümmert, nämlich auf dem Niveau des Mausklicks, kümmert sich die »Bewegungsstiftung « vorwiegend um die Geldbeschaffung. Wie der Name schon sagt, geht es hier weniger ums Spenden, sondern vor allem ums Stiften, also um größere Brocken, die dann zum Beispiel auch an »campact! « fließen. »Zustifter « werden kann man ab 5.000 Euro aufwärts, aber man kann der »Bewegungsstiftung « auch gleich sein ganzes Vermögen vermachen. Und schließlich kann man Patenschaften für professionelle Vollzeitaktivisten übernehmen. Um die Profi-Demonstranten zu bezahlen, gibt es auf den Seiten der Bewegungsstiftung ebenfalls ein Formular: In einem Pull-Down-Menü wählt man den Namen aus, trägt dann das Zahlungsintervall (einmalig bis monatlich) und den Betrag ein, anschließend noch den eigenen Namen und die Bankverbindung. Fertig.
Da kann man nur hoffen, dass diese Proteste sinnvoll sind, denn durch Verzögerungen und Prozesse verteuern sich die jeweiligen Projekte natürlich enorm, was sich unter anderem in den Strompreisen niederschlägt.
Während diese Demo-Profis von ihren jeweiligen, von der Bewegungsstiftung auf diese Weise angeworbenen »Paten « finanziert werden, wird das Geld aus dem großen Stiftungstopf in die verschiedensten politisch korrekten Projekte kanalisiert: Zum Beispiel in die Kampagne »alle bleiben! «, die für das Bleiberecht von etwa 10.000 in Deutschland lebenden Roma-Flüchtlingen aus dem Kosovo in Deutschland kämpft.
Die ebenfalls geförderte Volksinitiative »Eine Schule für alle « wollte 2008 »die Abschaffung des drei- bzw. viergliedrigen Schulsystems zugunsten einer gemeinsamen Schule für alle Kinder und Jugendlichen im Bundesland Hamburg « vorantreiben. Dabei wissen Lehrer und Eltern ganz genau, dass die Zusammenführung aller Schüler in einer Gemeinschaftsschule zur wirksamen Zerstörung der Bildung führt. Denn da sich der Unterricht zwangsläufig am niedrigsten Niveau orientiert, können schon mäßig Begabte nicht mehr richtig lernen. Das Volksbegehren scheiterte an der Vernunft der Bürger, das heißt an einem Mangel an Unterschriften.
Leitlinie der Förderpolitik scheint die übliche politisch korrekte Ideologie zu sein, nach der alle Menschen gleich, Energie- und Ressourcenverbrauch böse und moderne Entwicklung schlecht ist. So steht der Kampf gegen das Klima-Phantom ganz oben auf der Agenda der »Bewegungsstiftung «. Gefördert werden »Klimaaktionen « und das »NRW Klimacamp « »gegen die klimafeindliche Politik des Industrie- und Kohlelandes NRW « und »Robin Wood « für seinen Kampf gegen den »Klimakiller Nr. 1 «, die Nutzung der Braunkohle zur Stromerzeugung. Der Kampf gegen die »Klimakatastrophe « soll die (unschädliche) Hauptemission der entwickelten Gesellschaft abwürgen, nämlich die Emission von CO2, und damit die moderne Industrie- und Verkehrsgesellschaft selbst.
Damit man diesen politisch korrekten Cocktail leichter schluckt, nimmt man vielleicht gern auch einige sinnvolle Initiativen in den Fördermix, wie etwa den Bielefelder Bürgerrechte- und Datenschutz-Verein »Foebud «, der alljährlich den »Big Brother Award « verleiht.
Stiftungen wie die »Bewegungsstiftung « schöpfen Gelder ab und kanalisieren sie, die anschließend einem »wilden « Protest nicht mehr zur Verfügung stehen. Nach dem Moto: »Ich spende ja schon für den großen Protestsupermarkt. « Die Gefahr besteht auch darin, dass man als Spender, Stifter oder Erblasser Projekte fördert, mit denen man eigentlich nichts zu tun haben will. Denn zwar erhalte man als Stifter »ein lebenslanges Stimmrecht im Beirat der StifterInnen «. Damit könne man sich »aktiv an der Auswahl der Förderprojekte beteiligen und mit anderen StifterInnen beraten, wie die Stiftung sich entwickeln soll «. Über diesen »Beirat der StifterInnen « und seinen Einfluss habe ich jedoch nichts auf der Website der »Bewegungsstiftung « gefunden. Selbst auf einer Seite über den »Aufbau der Bewegungsstiftung « kommt er überhaupt nicht vor. »Das zentrale Entscheidungsorgan der Stiftung « ist dagegen »der fünfköpfige Stiftungsrat «: »Er legt die Förderrichtlinien fest, wählt die zu fördernden Kampagnen und Organisationen aus und entscheidet über die Anlage des Stiftungskapitals. « Letztlich steuern also fünf Leute den Geldfluss und damit die politische Willensbildung mithilfe der gestifteten Gelder.
Vielleicht sollte man deshalb ganz »altmodisch « werden und sein Geld lieber direkt an die Organisation seines (politischen) Herzens spenden. Denn zwar verspricht die »Bewegungsstiftung «: »Umfassende Transparenz ist für uns selbstverständlich. « Diejenigen, »die uns Teile ihres Vermögens anvertrauen «, hätten genauso Anspruch auf Information, »wie diejenigen, die wir fördern «. Da man als gemeinnützig anerkannt sei, schulde man »auch denjenigen Transparenz, die Steuern zahlen – also allen «.
Wenn man allerdings nachfragt, wer eigentlich die neun Gründungsstifter der Bewegungsstiftung waren, die dem Ganzen durch ihre Gelder ursprünglich Leben eingehaucht haben, trifft man auf härtesten Widerstand. Auch auf mehrfache Nachfrage wollte der Geschäftsführer der Stiftung, Jörg Rohwedder, nicht mit den Namen herausrücken. Unbeschadet dessen rühmt sich die Bewegungsstiftung, »den Vorgaben der Initiative Transparente Zivilgesellschaft « zu entsprechen, die sich »für mehr Transparenz im gemeinnützigen Sektor einsetzt «. Doch die Identität der Gründungsstifter verteidigt man bei der Bewegungsstiftung mit Zähnen und Klauen …
Copyright © 2010 Das Copyright für die Artikel von Gerhard Wisnewski liegt beim Autor.
Von Gerhard Wisnewski
Die FAZ hat in Sachen Vogelgrippe wieder mal ein sauberes Stück Verlautbarungsjournalismus abgeliefert. Danach sind eigenständige Recherchen «Verschwörungstheorien» und begründete Verdachtsmomente «wirre Vermutungen». Nach dieser Einstimmung stellt das Blatt dem Direktor des Loeffler-Seuchen-Instituts, Mettenleiter, jede Menge Raum zur Verfügung, um seine wirren Vermutungen auszubreiten – nämlich darüber, wie wohl die Vogelgrippe nach Deutschland gekommen sein könnte. Das ist bedauerlicherweise nämlich noch immer «unklar».
«Möglich», «denkbar», «vielleicht» lauten die Vokabeln, mit denen Mettenleiter seine Hypothesen garniert.
«In diversen Internetforen wird diskutiert», so die FAZ, «ob es auf Riems bei Versuchen mit H5N1 vielleicht einen Unfall gegeben habe und entweder das Virus oder ein infizierter Vogel in die freie Natur gelangt sei. Mettenleiter reagiert gelassen: ‚Mit Verdächtigungen dieser Art muß unser Institut seit seiner Gründung leben.‘?
Logisch: ist der Ruf erst ruiniert, lebt sichs völlig ungeniert. Denn gegründet wurde das Institut auf Riems deshalb, weil die wackeren Forscher zuvor ganze Landstriche in der Gegend von Greifswald mit der Maul- und Klauenseuche infiziert hatten.
«Die Insel Riems», so die FAZ weiter, «auf der das nach dem Virologen Friedrich Loeffler benannte Institut seinen Hauptsitz hat, befindet sich tatsächlich nur wenige Kilometer entfernt von jener Wittower Fähre auf Rügen, an der am 8. Februar zum ersten Mal tote Schwäne gefunden wurden, die sich als Träger des Vogelgrippevirus entpuppten. Da liegt es nahe, einmal bei den Forschern im Staatsdienst nachzufragen.»
Genau: und zwar sehr nahe, denn das FLI befindet sich nicht nur in der Nähe der Fundorte der ersten H5N1-infizierten Vögel auf Rügen, es liegt sogar im Zentrum jener drei Landkreise, in denen das Virus zuerst nachgewiesen wurde. Dieser Umstand ist eigentlich nicht mehr mit einem Zufall abzutun.
Mettenleiters Erklärung: H5N1 ist H5N1 und doch wieder nicht H5N1. Auf der Seucheninsel gibt es zwar eine Virenbank mit 500 Viren, darunter auch H5N1-Typen, aber ausgerechnet der seit Mai 2005 bekannte «Quinghai»-Typ, der oder dessen Abkömmling bei den Wasservögeln auf Rügen gefunden worden sei, sei im Institut vorher nicht vorhanden gewesen. Das Institut ist also ein Superinstitut, aber so super auch wieder nicht – je nach dem, wie mans braucht.
Nur noch eine Frage: Wie kam denn das Virus vom chinesischen Quinghai-See auf die Idee, viele tausend Kilometer zu reisen, um sich dann ausgerechnet rund um das Friedrich Loeffler-Institut niederzulassen? Kritiker nehmen Mettenleiter seine Erklärung denn auch nicht ab:
«Wenn es der ’sogenannte Quinghai-Subtyp‘ war, ‚der im Mai vergangenen Jahres erstmals an einem See im Nordwesten Chinas isoliert worden sei‘, war er zwangsläufig im FLI vorhanden», meint Bruno Stubenrauch vom Zentralverband europäischer Laufentenhalter: «Das FLI ist seit Mai 2005 internationales Referenzlabor der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) für die Vogelgrippe. Nach FLI-eigenen Angaben gehört zu seinen Aufgaben die Bereithaltung von Referenzvirusstämmen und die Aufbewahrung von Virusisolaten aus bestätigten Seuchenfällen.»
Mettenleiters Verweis auf die strengen Sicherheitsvorkehrungen im FLI geht nach hinten los. So müßten sich alle Mitarbeiter «vor dem Verlassen des Hochsicherheitsbereichs einer Zwangsdusche sowie einer siebentägigen Quarantäne unterziehen». Klingt gut, ist aber reiner Etikettenschwindel. Denn die Quarantäne ist gar keine Quarantäne. Unter Quarantäne versteht man nämlich eigentlich Absonderung oder Isolierung. Während der genannten Quarantäne à la FLI dürfen die Mitarbeiter aber lediglich «keinen Kontakt zu Zoo- und Nutztieren haben.»
Beeindruckend – nur leider gibt es rund um das Loeffler-Seucheninstitut kaum Zoos, aber dafür Hunderttausende von Wildvögeln. Diese zum Beispiel bei einem Spaziergang zu füttern, ist den FLI-Leuten im Rahmen dieser «Quarantäne» demnach keineswegs verboten. Auch mit Katzen dürfen sie selbstverständlich spielen, da diese keine Nutztiere sind und normalerweise nicht in Batterien gehalten werden – jedenfalls vor der Panikmache um die Vogelgrippe.
Selbst die FAZ muß einräumen: «Auch wenn es ihm widerstrebt, kann der Virologe auf absehbare Zeit Verschwörungstheoretikern und Hobbyfachleuten nicht ganz den Boden entziehen: ‚Möglicherweise läßt sich der genaue Eintragsweg des Virus nach Deutschland nie vollständig nachvollziehen.‘?
Nachvollziehen läßt sich dagegen, daß bis jetzt mit mancher Gespensterseuche auch ein warmer Geldregen über Riems herniederging. Jedenfalls kam im Rahmen der BSE-Krise, bei der den Bundesbürgern als Folge des Erregers quasi die kollektive Verblödung vorhergesagt wurde, schon mal «das Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger auf Riems hinzu».
Das ist jedoch noch nichts gegen den warmen Wolkenbruch, der dem Seucheninstitut jetzt bevorsteht. Bis 2010 sollen in Riems schlappe 150 Millionen Euro Steuergelder verbrannt werden – für neue Labor- und Stallbereiche eines Instituts, in dessen Umgebung schon zum zweiten Mal eine Seuche auftrat: «Damit entsteht das modernste Tierseuchenforschungsinstitut Europas», heißt es bei stern.de.
Na, dann: hoch die Tassen.
Gerhard Wisnewski
c/o Kopp Verlag, Bertha-Benz-Str.
72108 Rottenburg a.N.