Wie bereits an verschiedenen Stellen gesagt: Der vor 20 Jahren in den USA geplante Krieg der Kulturen wird jetzt richtig hochgekocht. Wie ein Zahnrad ins andere greifen die Aktionen ineinander. Neuestes Beispiel: ein dubioser Anschlag auf die Redaktion der islamkritischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris, bei dem zwölf Menschen erschossen worden sein sollen. Genau zur rechten Zeit ist das Attentat Wasser auf die Mühlen der antiislamischen Bewegung…

Ist diese Zeichnung nicht lustig: Mitten im Kugelhagel eines Bürgerkrieges hält sich ein Moslem als Schutz einen Koran vor die Brust. Doch leider gehen die Geschosse durch: »Der Koran ist Scheiße…«, titelte dazu am 10. Juli 2013 das französische Satiremagazin Charlie Hebdo: »–…kann nicht mal Kugeln abhalten«. Verbrämt als Satire enthält die Zeichnung gleich zwei schwere Beleidigungen des Islam und seiner heiligen Schrift:
Schockieren auf Teufel komm raus
Dem französischen Satiremagazin Charlie Hebdo war wirklich gar nichts heilig, schon gar nicht die Religionen. Das Motto: Schockieren auf Teufel komm raus. Eine kurze Durchsicht von Titelbildern fördert geschmackloseste Schmähungen zutage. Ein anderes Titelblatt zeigt zum Beispiel eine Karikatur von Papst Benedikt beim angedeuteten Geschlechtsverkehr mit einem Maulwurf. Dazu die Überschrift: »Maulwurf im Vatikan«.

Gegründet wurde Charlie Hebdo von dem israelfreundlichen Journalisten und Kabarettisten Philippe Val, »der vor der Gefahr der islamistischen Ideologie warnte und den Islamismus als ›neuen Totalitarismus‹ bezeichnete«, so die englische Ausgabe von Wikipedia. Ursprünglich antiautoritär orientiert, sei vom Linksradikalismus des Blattes »jedoch kaum etwas übrig« geblieben, schrieb die Wochenzeitung jungle world am 14. März 2013, »mit Ausnahme eines scharfen Antiklerikalismus, der das Profil der Zeitung prägt«.
jungle world zufolge unterstützte Magazingründer Val aber auch »den Kosovo-Krieg der NATO und die Kandidatur Daniel Cohn-Bendits zum Europa-Parlament«. Zum Daseinszweck von Vals Blatt geriet jedoch der Kampf gegen die Religionen.
Weit unter der Gürtellinie
Vals Magazin Charlie Hebdo sah sich selbst im Zentrum dieses Religionskrieges. Der jetzige Anschlag wirkt wie die folgerichtige Entwicklung eines schon länger bestehenden Konflikts. So veröffentlichte das provokante Satireblatt bereits 2005 die berüchtigten »Mohammed-Karikaturen«, die schon einmal zu einem Konflikt zwischen dem Islam und dem Westen führten, und wurde daraufhin von muslimischen Organisationen verklagt. Nach seinem juristischen Sieg widmete Val seinen Gerichtserfolg »allen moderaten Muslimen«. In seinem Traktat vom Überleben in dunklen Zeiten erklärte Val, »dass die Juden der Menschheit viel gegeben hätten«.
Bereits am 02.11.2011 gab es einen Brandanschlag auf die Redaktionsräume von Charlie Hebdo im 11. Pariser Arrondissement. 2012 veröffentlichte das Heft neue Mohammed-Schmähungen. Auch die Juden bekamen zwar ihr Fett weg, auf den ersten Blick allerdings nicht so weit unter der Gürtellinie wie Christen und Muslime. Ein Titelbild zeigt zum Beispiel einen jüdischen, einen muslimischen und einen christlichen Würdenträger mit der eher selbstironischen Forderung: »Man muss Charlie Hebdo verschleiern.«
Die Quittung für Charlie Hebdo?
Am 7. Januar 2015 soll Charlie Hebdo nun die Quittung bekommen haben. Um 11.30 Uhr vormittags stürmten zwei oder drei schwer bewaffnete, schwarz vermummte Männer die Redaktion in der rue Nicolas Appert 10 und begannen um sich zu schießen. Zunächst war mehrfach ausdrücklich von elf Toten die Rede, später von zwölf Todesopfern und mehreren Verletzten. Die Täter sollen zwar
islamische Parolen gerufen haben, trugen aber keinerlei Abzeichen und waren äußerlich nicht als »Islamisten« zu erkennen. Eine Bekennung gab es bis zum frühen Abend ebenfalls nicht – von Verdächtigen oder Festnahmen ganz zu schweigen.
Dennoch stand der muslimische Hintergrund genau wie am 11.09. 2001 für Politiker von Anfang an fest. In ihren Kampfanzügen wirkten die eiskalt und ruhig vorgehenden Männer aber eher wie Angehörige eines Sonderkommandos. Das fiel auch Experten auf: »Man muss angesichts des Modus operandi, also der Vorgehensweise der Täter, von einem perfekt geplanten und professionell ausgeführten Anschlag ausgehen«, sagte der Terror-Experte Rolf Tophoven auf N24 (07.01.15,14.39 Uhr). »Es handelt sich hier wohl eindeutig um eine nach militärischen Grundprinzipien durchgeführte Kommandoaktion. Dafür sprechen die Waffen der Täter. Es spricht aber auch für die perfekte Planung, dass man immer noch auf der Flucht ist. Also offenbar haben die Attentäter auch den Fluchtweg perfekt geplant, um sich der französischen Polizei zu entziehen.«
Nur dass die Killer sich zunächst in der Tür geirrt haben sollen, passt nicht ins Bild. So hätten sie erst das Gebäude in der rue Nicolas Appert 6 betreten, um zu fragen, ob es sich um die Redaktion des Magazins Charlie Hebdo handele. Erst als dies verneint worden sei, seien sie in den Hauseingang Nr. 10 gelaufen. Eine fast unglaubwürdige Posse.
Wie die Rädchen eines Uhrwerks…
Wie ich schon bei anderer Gelegenheit sagte, wird Europa zurzeit im Kampf gegen den Islam geeint. Die einzelnen Elemente dieses Mechanismus greifen ineinander wie die Rädchen eines Uhrwerks: Die anti-islamische Empörung in Deutschland wird durch ein angeblich islamistisches Attentat in Frankreich geschürt. Die Opfer sind vordergründig französische Journalisten und Karikaturisten, im Hintergrund aber der Islam.
Der islamkritischen Bewegung in Europa dürfte der Anschlag einen ordentlichen Schub verabreichen. Bei den nächsten PEGIDA-Demos können wir vielleicht sogar noch mehr Teilnehmer erwarten als die zuletzt gezählten 18 000 Demonstranten in Dresden.
Das Attentat von Paris hilft interessanterweise aber auch ausgerechnet den etablierten Journalisten, zu denen die Zeichner von Charlie Hebdo gehörten, deren Magazin es immerhin auf eine Auflage von 140 000 Exemplaren bringt. Plötzlich ist der Angriff auf eine etablierte Zeitschrift ein Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit allgemein, und plötzlich sind hauptberuflich pöbelnde Journalisten »Märtyrer der Meinungsfreiheit«.
Wir sind jetzt alle »Charlie«
Ja, mehr noch: Wir alle sollen uns nun mit diesen Journalisten verbünden – unter dem Motto »Ich bin Charlie«. Also: »Ich bin auch einer dieser Journalisten.« Das Motto prangte am Abend des 7. Januar 2015 als einziger Inhalt in sieben Sprachen auf der Website von Charlie Hebdo und sollte so zum weltweiten Schulterschluss mit den Religions- und Islamhassern führen und zum Slogan im Kampf gegen den Islam werden. Indem Journalisten durch Islamisten viktimisiert werden, werden erstere zu Opfern und letztere zu Tätern.
Gleichzeitig nehmen Attentate auf Journalisten unseren Medien endgültig die Lust, neutral über den Islam zu berichten, und binden sie in den Mechanismus von Hass und Gegenhass ein. Was wohl die merkwürdigste Pressearbeit darstellt, die es je gegeben hat. Denn normalerweise bemühen sich politische Gruppierungen und Kriegsparteien darum, die Medien für sich zu gewinnen oder wenigstens zu einer neutralen Berichterstattung zu bewegen. Morde an Journalisten dürften da kaum zielführend sein.
»Das kann nur der westlichen, der amerikanischen, Seite nutzen, die ja den Krieg der Kulturen selber ›erfunden‹ hat«, sagte ich am 9. Dezember 2014 über die Enthauptung des US-Journalisten James Foley in einem Interview mit Islamic Republic of Iran Broadcasting (IRIB): »Man wird sich
erinnern an Samuel Huntington und seinen Kampf der Kulturen, ein amerikanischer Politikwissenschaftler, der 1993 letztlich aus dem heiteren Himmel heraus prophezeit hat, wir würden in einigen Jahren einen Kampf der Kulturen und der Religionen erleben. Etwas, was man sich damals nicht vorstellen konnte.
Tatsächlich wurde dieser Krieg der Kulturen oder der Religionen mit dem 11.09.2001 eingeleitet, als angebliche ›Islamisten‹ ein Attentat auf das World Trade Center verübten. Das war der Donnerschlag, mit dem dieser Krieg der Religionen, dieser künstliche Krieg der Religionen, gestartet wurde. Das wird immer weiter mit weiteren Inszenierungen fortgesetzt.«
Wem es nützt und wem es schadet
Die Antwort auf die Frage, wem es nützt, ist also gleichzeitig auch die Antwort auf die Frage, wem es schadet: Neben den bedauernswerten Opfern, die auf dem Schlachtfeld des »Kampfes der Kulturen« geopfert werden, natürlich dem Islam. Schon vor gut zehn Jahren (2004) prophezeite ich in einem Interview mit dem Internetportal Muslim-Markt:
»Ich glaube, dass Muslime in der westlichen Welt in naher Zukunft in Gefahr schweben könnten. Weitere Anschläge durch ›Islamisten‹ oder ›Muslime‹ mit unklarem Hintergrund könnten zu Empörung und Hass bei Nichtmuslimen führen und zur Stigmatisierung von Muslimen. Dem könnten Muslime durch Distanzierung von der eigenen Religion oder Identität zu entkommen versuchen, begleitet von Entsolidarisierung von Glaubensgenossen.«
Tatsächlich verurteilte anlässlich des Attentats von Paris »Frankreichs wohl bekanntester Imam Hassen Chalghoumi« die Angriffe auf das Satiremagazin als »Barbarei«, die »nichts mit dem Islam zu tun« hätten (Süddeutsche Zeitung, online, 07.01.15). Ja, mehr noch: Die getöteten Islamspötter seien »Märtyrer der Freiheit«. So bedauerlich deren Schicksal auch ist, ist genau das Gegenteil richtig. Die Opfer sind keine Märtyrer der Freiheit, sondern der Strategien eines globalen Totalitarismus, der die Vernichtung der Religionen, speziell des Islam und des Christentums, auf seine Fahnen geschrieben hat.
Das Ziel: Die Auflösung des Islam
»Noch mehr ›islamistische‹ Anschläge und ein dadurch ausgelöster, hoher moralischer Druck könnten zu Entscheidungszwängen führen«, sagte ich 2004 über die psychologischen Folgen solcher Anschläge: »Entweder bist du Moslem, oder du bekennst dich zur westlichen Kultur, dazwischen gibt es nichts. Darauf könnten Auflösungs- und Einebnungserscheinungen der muslimischen Kultur und Identität folgen.
Nachdem ein ›harter muslimischer Kern‹ ›unverdünnt‹ an seinem Glauben und seiner Kultur festhalten will, könnten sich ›islamistische‹ Attentäter an die Spitze dieses harten Kerns setzen und die Umgebung weiter gegen ihn aufbringen.
Schließlich drohen weitere Maßnahmen gegen Muslime, mit dem Ziel der endgültigen Auflösung und Beseitigung dieser Religion und Kultur.« Der Terror werde »zu großen Teilen künstlich konstruiert«, sagte ich kürzlich auch in einem Gespräch mit dem Journalisten Ken Jebsen und sprach von einem Terrorismus, »der politisch instrumentalisiert und konstruiert wird, um bestimmte Interessen zu verfolgen«:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=p3vz_yheDvA
Das erwartete Attentat
Das dubiose Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo passt da ins Bild. Ein solcher grausamer Anschlag auf Zivilisten kann natürlich nur auf den – angeblichen – Verursacher zurückfallen. Die eigentlichen Ziele des Anschlags sind daher der weitere Aufbau des Feindbildes Islam und die Zuspitzung des Kampfes der Kulturen. Bei Charlie Hebdo war man sich der eigenen Rolle und der Dynamik des Geschehens voll bewusst: »Immer noch kein Attentat in Frankreich«, hieß es in einem der letzten Cartoons des Hebdo–Karikaturisten Stéphane Charbonnier (»Charb«). Dazu sieht man einen Islamisten sagen: »Wartet! Bis Ende Januar kann man noch seine Wünsche äußern.«
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