Während alle Welt gerührt die Melodie von Do They Know It’s Christmas? summt und die Portemonnaies öffnet, um Geld für Bob Geldofs neueste Afrika-Spendenkampagne Band Aid 30 locker zu machen, würde Geldofs Charity-Organisation nicht einmal das deutsche Spendengütesiegel erhalten. Experten ließen wissen, Geldofs Charity Trust würde das Siegel nicht bekommen: »Es ist komplett intransparent, wofür die eingespielten Mittel konkret verwendet werden. «

Zur Zeit tingelt er wieder über die Bildschirme: Keine Talkshow, keine Pressekonferenz und auch kein Präsidentenbüro, das nicht die Pforten für den edlen Spendensammler Bob Geldof (63) öffnen würde, den Weihnachtsmann der Armen in Afrika, der in schöner Regelmäßigkeit Millionen zu Tränen rührt – um anschließend Millionen zu kassieren, versteht sich. Angeblich für den Schwarzen Kontinent.
Alle Jahre wieder reanimiert Geldof sein inzwischen 30 Jahre altes Weihnachtslied Do They Know It’s Christmas? und lässt es mit prominenten internationalen Künstlern neu produzieren. 1984 steuerte Geldof gerade mal den klischeebeladenen, pauschalen und deshalb auch falschen Text zu dem Song bei (die Musik stammt von Midge Ure von Ultravox).
Botschaft: In Afrika, wo »es keine weiße Weihnacht « gebe und »wo nichts jemals wächst, kein Regen oder Fluss fließt «, müssten die Menschen leiden, während es uns gut geht. Das nackte Leben sei dort das größte Geschenk, so der schlichte Text. Zeilen, für die sich manche Afrikaner, die damit alle als armselige Hungerleider in einer unbewohnbaren Einöde dargestellt werden, herzlich »bedankt « haben (zum Beispiel der Sänger Patrice, siehe unten).
Egal: Geldofs Lied über das versteppte, vertrocknete und verarmte Afrika gehört inzwischen zur festen Ausstattung der westlichen Weihnachtskultur und wird alle Jahre wieder von den Radiostationen abgenudelt. Insbesondere die jeweiligen Neuproduktionen des Songs stürmen regelmäßig die Charts und spielen Millionen ein.
Für Geldof Hochzeit abgesagt
Das Kriterium für die Auswahl der Künstler für die Band-Aid–Aufnahmen und -Konzerte ist einfach: berühmt, aber kostenlos. »Sein einziges Kriterium für die Auswahl war, wie berühmt sie waren, um die Verkäufe der Platte zu maximieren. « Aber kaum jemand kann sich dem Spenden-Spektakel entziehen, egal, ob er nun Bono, McCartney oder Phil Collins heißt. Wenn Geldof ruft, kommen sie merkwürdigerweise alle.
Als er 1989 einen der mächtigsten britischen Musikproduzenten fragte, ob er die neue Version des Liedes produzieren wolle, hängte der sich sofort selbst ans Telefon und ließ Berichten zufolge alles stehen und liegen – einschließlich seiner für diesen Tag geplanten Hochzeit. 2014 probten allerdings einige den Aufstand gegen den Pop-König. Pop-Sängerin Adele ging laut Medienberichten nicht einmal ans Telefon, als der Meister anrief.
Andere stellten die ketzerische Frage, ob es nicht besser wäre, die beteiligten Multimillionäre würden erst mal ihre Steuern bezahlen statt selbstverliebt Spenden zu sammeln. In einem Interview mit dem britischen TV-Sender Sky auf die Kritik angesprochen, rastete »Sir Bob « komplett aus und beschimpfte die Ketzer derart mit Vulgärausdrücken, dass der Sender das Gespräch abbrach.
Die Geldof-Geldmaschine
Mit Band Aid begründete Geldof eine eigene Spendenindustrie, die das vermeintliche oder auch wirkliche Leid in Afrika seit Jahrzehnten als Marketing benutzt. Die Hauptereignisse:
300 Pfund pro Sekunde
Seit 1984 generiert die Bob-Geldof-Geldmaschine Milliarden durch Eintrittsgelder, Spenden, Tantiemen, Fernsehrechte und anderes mehr. Während der Live-Aid–Mega-Konzerte 1985 »waren für die Kreditkartenspenden allein in England 300 Telefonleitungen geschaltet «, heißt es auf einer Website über Charity-Konzerte.
Als Geldof nach sieben Stunden über die Spendensumme von 1 200 000 Pfund informiert worden sei, sei er komplett ausgeflippt und habe ein berüchtigtes Interview gegeben, in dem er mit Schimpfworten nur so um sich warf: »Als der Interviewer versuchte, Spenden-Adressen vorzulesen, unterbrach ihn Geldof: ›Scheiß auf die Adressen, nehmen wir die Nummern.‹ «
Doch siehe da: »Nach dem Interview erhöhten sich die Spenden auf 300 Pfund pro Sekunde. Später am Abend wurde den Zuschauern an den Fernsehgeräten in der ganzen Welt ein Video mit Bildern von hungernden und kranken äthiopischen Kindern gezeigt. Auch danach erhöhten sich die Spenden. «
Spendengelder für Massenmord?
Solche Videos heißen in der Charity-Branche »Spenden-Pornos «: Explizite Bilder von leidenden Kindern mit großen traurigen Augen sollen besonders wirksam sein. Mit diesem Argument distanzierte sich 2014 auch der Band-Aid-30–Künstler Patrice von seiner Teilnahme an der Produktion. Für ihn ist das zugehörige Band-Aid-30–Video, wo eine tote Frau aus ihrem verschmutzten Bett geborgen wird, »krassester Spenden-Porno «.
Woher Geldofs Geldhunger eigentlich kommt und wo die Millionen schließlich ankommen, ist freilich gar nicht so sicher. Was Äthiopien betreffe, so hätten die Live-Aid–Hilfsgelder zumindest ebenso viel Schaden wie Nutzen gebracht, behauptete der Hilfsexperte David Rieff 2005 im Guardian (24.6.2005).
So sei die Vertreibung von 600 000 Menschen und die »Verstädterung « von drei Millionen weiteren Personen durch das damalige Regime mit westlichen Hilfsgeldern finanziert worden. »Wir sind Zeugen der größten Vertreibung seit dem Völkermord der Roten Khmer «, zitierte Rieff den damaligen Präsidenten von Ärzte ohne Grenzen in Frankreich. »Für Ärzte ohne Grenzen war die Entscheidung von Hilfsorganisationen, UN-Institutionen und Regierungen der Geberländer, ein totalitäres Projekt wie das äthiopische Umsiedlungsprogramm zu unterstützen, eine Übung in tödlichem Mitleid. «
Von Ärzte ohne Grenzen abgesehen, hätten weder die Hilfsorganisationen noch die Vereinten Nationen oder Bob Geldof jemals anerkannt, dass das damalige Regime mit seinem Umsiedlungsprogramm einen Massenmord begangen habe, »in dem Live-Aid-Gelder verwendet wurden und in dem NGOs aktiv waren, die Live-Aid-Gelder benutzten «.
Kein Spenden-TÜV für Geldof
»Aber davon findet man nichts in irgendeiner offiziellen Beschreibung von Live Aid, in den Reden von Bob Geldof … « Tatsache scheint jedenfalls zu sein, dass Geldof und sein Charity Trust nicht die hiesigen Mindeststandards für vertrauenswürdige Spendenorganisationen erfüllen – falls es so etwas gibt. So berichtete die österreichische Zeitung Kurier am 25. November 2014 über »Geldofs undurchsichtige Band-Aid-Geschäfte «: »Dieses Mal werden Spenden für den Kampf gegen Ebola gesammelt, doch die Stimmen mehren sich, dass Bob Geldof der größte Profiteur davon sein könnte. Sein Charity Trust würde wegen totaler Intransparenz kein Spendengütesiegel erhalten. « – »Immer lauter werden Fragen nach der Verwendung des eingespielten Geldes und zu den Aktivitäten des millionenschweren Hilfsfonds «, schrieb auch die Welt (online, 23.11.2014).
Immerhin befreite der britische Finanzminister das Geldof-Projekt auch noch von den Steuern. Niemand wisse, wofür die Gelder eigentlich verwendet würden, zitierte das Blatt Melanie Huber vom Berliner Bündnis Entwicklung hilft, in dem sich verschiedene Hilfsorganisationen zusammengeschlossen haben. Und Burkhard Wilke, Geschäftsführer des deutschen »Spenden-TÜVs « (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen), meinte demzufolge, es sei »komplett intransparent, wofür die eingespielten Mittel konkret verwendet werden «.
Ansonsten schweigen die meisten Medien eisern weiter und stehen wie ein Mann hinter dem dubiosen britischen Weihnachtsmann mit den großen Taschen und der selbstlosen, aber selbstgefälligen Spendenshow. Vielleicht hatte ja die britische Anarchisten-Band Chumbawamba Recht, die 1986 ein Album mit dem Titel »Pictures of Starving Children Sell Records « ( »Bilder von hungernden Kindern verkaufen Platten «) herausbrachte. Auf der Platte war zu hören, wie sich Sänger Danbert Nobacon in einen Eimer erbrach…
Gerhard Wisnewski
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