Die Zahl der Kirchenaustritte ist angeblich deutlich gestiegen, schrieb jüngst die FAZ. Kein Wunder: Katholiken missbrauchen Kinder, saufen Schampus und räkeln sich in übergroßen Badewannen. Oder geschieht das alles etwa in einer Badewanne? Egal. Denn da wären noch die Islamisten. Die schmeißen sich vor Allah in den Staub, zeugen eifrig Nachwuchs für den Heiligen Krieg und begehen am laufenden Meter Selbstmordanschläge – wenn sie nicht gerade Schulmädchen entführen. Keine Frage: Während die Religionen an das Kreuz glauben, sind sie in Wirklichkeit selber ein Kreuz. Oder etwa nicht? Oder sind die Kampagnen gegen den Islam und die katholische Kirche etwa nur zwei Seiten ein- und derselben Medaille? Gibt es gar einen Krieg gegen die Religion überhaupt? Dann wird es freilich spannend…

Francis George/Von Adam Bielawski
»Während ich wohl im Bett sterben werde, wird mein Nachfolger im Gefängnis sterben und dessen Nachfolger als Märtyrer auf einem öffentlichen Platz «, prophezeite kürzlich der Chicagoer Erzbischof Francis George anlässlich der anhaltenden Kritik an der katholischen Kirche. Eine katholische Website behauptet, schon die Nazis hätten eine Kampagne gegen die katholische Kirche inszeniert, »die der gegenwärtigen Hetzkampagne der inzwischen von links gleichgeschalteten Presse sehr ähnlich ist «.
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller blies in dasselbe Horn: »Jetzt erlebe n wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche. « Und da war von dem »Skandalbischof « Tebartz-van Elst noch nicht einmal die Rede. 2013 sprach Bischof Müller gar von einer »Pogromstimmung «. Junge, Junge – geht’s nicht eine Nummer kleiner? Wollen sich die Katholiken jetzt auch noch als Opfer und Märtyrer darstellen?
Keine Frage: Jetzt drehen sie total durch. Zu viele Schampus-Bäder und zu viele Kinder auf dem Schoß. Oder wie soll man das ganze verwirrende Geschehen sonst auf einen Nenner bringen?
Religionskrieg: Eine tolle Sache
Zunächst wäre da der so genannte »Krieg gegen den Terror «. Die meisten wissen, dass dies nur ein verlogener Begriff für einen Krieg gegen den Islam ist, dem man unterstellt, ein Hort des Terrorismus zu sein. Der große Paukenschlag für den Beginn dieser Kampagne war der 11.9.2001, bei dem man »Islamisten « gleich mehrere grauenhafte Attentate unterschob. Danach konnte man gemütlich Krieg gegen Afghanistan und den Irak führen und in vielen weiteren islamischen Ländern der Welt »demokratische Revolutionen « anzetteln. Und seitdem wurden auch noch viele weitere Attentate »von Islamisten « verübt.
Oder besser gesagt: im Namen von Islamisten. Denn dass es wirklich Islamisten waren, müssen wir schon glauben. Und damit unterscheiden sich unsere Medien und Politiker kein bisschen von den Religionen. Denn im Einzelfall ließ sich die Täterschaft von »Islamisten « häufig ebenso wenig beweisen wie die Existenz von Gott. Meistens »bekannten « sich nur irgendwelche Dunkelmänner auf Internetseiten im Namen des Islam oder einer islamischen Gruppierung zu dem jeweiligen Anschlag. Beweiswert: null.
Besonders gerne bekennen sich Schiiten zu Attentaten auf Sunniten und umgekehrt. Denn das heizt den religionsinternen Bürgerkrieg erst so richtig an, damit sich der Islam quasi von selbst zerlegt. Eine tolle Sache. Und seit dem 11.9.2001 haben noch viele andere »islamistische Terrorgruppen « den Islam kompromittiert, zum Beispiel Boko Haram in Nigeria oder IS (früher ISIS) im Irak. Kurz: Der Islam erleidet weltweit ein »PR-Desaster «, das sich gewaschen hat.
Die katholische Kirche wird zerlegt
Die mittlerweile penetrante Kampagne gegen die katholische Kirche hat damit freilich gar nichts zu tun, oder? Schließlich geht es da um grauenhafte Verfehlungen, die sich wie ätzende Säure in die Glaubwürdigkeit der Kirche fressen. Wie etwa der sexuelle Missbrauch von Kindern. Allerdings geht die Kampagne von Blättern wie Bild und Spiegel inzwischen längst über eine angemessene Diskussion dieser Probleme hinaus.
Kindesmissbrauch ist tatsächlich ein schweres Verbrechen, und tatsächlich müssen sich die zölibatären katholischen Priester und Ordensleute nach ihrem Verhältnis zu Kindern fragen lassen. Dieses Verhältnis müssen sie einmal grundsätzlich für sich klären und auf ganz neue Beine stellen. Kinder sind eben nicht nur Schäfchen-Nachwuchs, den man als Missbrauchsobjekt und später als Kirchensteuerzahler betrachten kann. Kinder und erwachsene Menschen sind nicht für die Kirche da, sondern die Kirche ist für die Menschen da. Dieses Verhältnis wurde von den Kirchen »nur « ein bisschen auf den Kopf gestellt.
Insofern besteht tatsächlich erheblicher Reformbedarf bei der Kirche – aber nicht in Sachen Zölibat, Stellung zur Homosexualität oder Familie und wo die katholische Kirche sonst noch überall ihren Dogmen und Überzeugungen abschwören soll. Denn all diese Konzessionen würden zur Auflösung der Identität der katholischen Kirche führen – was politisch zwar erwünscht, für uns alle jedoch äußerst schädlich ist. Das Problem ist nämlich, dass die katholische Kirche in der galoppierenden Wertekrise unserer Gesellschaft inzwischen für jedermann eine erhebliche Bedeutung als Stabilitätsfaktor bekommen hat – ob uns das passt oder nicht, ob man nun Katholik ist oder nicht.
Denn niemand und keine Gesellschaft kommt ohne bestimmte Werte und Institutionen aus, die heutzutage fast nur noch von den Katholiken propagiert und verteidigt werden. Zwar muss sich die Kirche tatsächlich reformieren, aber vor allem in ihrem Verhältnis zum Menschen und nicht in ihrem Verhältnis zu ihren Überzeugungen.
Wie man die Kirche »behebt «
Ihre Feinde wollen die Fehlentwicklungen in der Kirche ja nicht beheben, sondern die Kirche gleich als Ganzes »beheben «. Um die missbrauchten Kinder geht es dabei nur am Rande. Oder besser gesagt: Sie werden nur ein zweites Mal missbraucht. In Wirklichkeit benutzen gewisse Kräfte diese Verfehlungen lediglich als Steilvorlage für einen viel weitergehenden Angriff auf die katholische Kirche, bei dem es nicht um die Behebung von Fehlentwicklungen geht, sondern um die Behebung der »Fehlentwicklung Kirche « – und letztlich um die »Behebung « des ganzen konservativen Christentums. Eine ganze Reihe von Leuten in der Kirche haben das bereits verstanden, wie das oben genannte Zitat von Erzbischof George zeigt. Was er nicht gesagt hat, ist, dass sich seine Nachfolger auf dem Scheiterhaufen mit Muslimen treffen werden.
Die Kirche und ihr Markenkern
Aber der Mann übertreibt doch nur! Keineswegs. Denn natürlich muss man Entwicklungen im Rahmen eines größeren Zeitraums sehen. Und schließlich werden auch jetzt schon Hunderttausende Menschen wegen ihrer Religion ermordet und von amerikanischen Drohnen verbrannt, und zwar im Rahmen des angeblichen »Krieges gegen den Terror «, der wie gesagt in Wirklichkeit ein Krieg gegen den Islam ist. Denn die Scheiterhaufen von heute kommen von oben und werden von Raketen entfacht.
Und damit wären wir wieder beim Thema, denn in Wahrheit gibt es nicht nur einen Krieg gegen den Islam und eine Kampagne gegen die katholische Kirche. Sondern es gibt nur einen Krieg, nämlich gegen die großen konservativen Religionen – als große, bewahrende Kräfte der Menschheit an sich. Da, wo Religionen einknicken und mitmachen, wie etwa die evangelische Kirche, werden sie geduldet. Aber da, wo sie ihre Identität und ihren »Markenkern « bewahren wollen, werden sie gnadenlos bekämpft.
»Es ist schon auffällig, dass sich derart viele Skandale ausgerechnet gegen jene Institution wenden, die sich in unserem Land noch am deutlichsten gegen den Zeitgeist ausspricht «, sagt Karin Maria Fenbert, Geschäftsführerin von KIRCHE IN NOT Deutschland. »Ebenso auffällig ist, dass in der Kirche genau jene Menschen von den Medien ihren ganz persönlichen Skandal präsentiert bekommen, die sich am deutlichsten gegen die Missstände unserer politisch-korrekten Mainstream-Gesellschaft aussprechen – so zum Beispiel Kardinal Meisner, Bischof Mixa, Bischof Tebartz-van Elst oder der designierte Kardinal Müller. Kein Mensch ist fehlerfrei, daher finde ich es merkwürdig, dass ausschließlich so genannte ›konservative‹ Kirchenleute Skandale verursacht haben sollen und die ›progressiven‹ alle Engel sind. Das sollte uns stutzig machen. «
Weg mit den alten Zöpfen?
Na und – sollen sie doch endlich ihre Jahrtausende alten Zöpfe ablegen und sich reformieren, diese Kirchen! Das geht aber gar nicht so einfach, denn die Religionen und Kirchen sind im Menschen und seiner Herkunft und Natur verankert. Und diese Herkunft und Natur sind nun mal unumstößlich – Genderwahn hin oder her. Jahrtausende sind da gar nichts.
So gesehen hat die evangelische Kirche mit ihren Zugeständnissen an die Political Correctness den Menschen schon viel umfassender verraten als die katholische.
Die Kirche muss sich jedoch nicht auf die Political Correctness und den Mainstream, sondern wieder auf den Menschen besinnen und an ihm festhalten – nur so können beide geheilt werden und überleben: die Kirche und der Mensch.
Logik und religiöse Verzückung
Aber wer oder was könnte denn so einen Krieg gegen den Menschen und seine Religionen anzetteln? Ganz einfach – und für die Antwort braucht man weder einen einfältigen Glauben noch religiöse Verzückung, sondern nur logisches Denken: Wenn es sich beim Menschen um einen Teil der (wie auch immer entstandenen) Schöpfung handelt, dann kann es sich ja eigentlich nur um anti-schöpferische Kräfte handeln, oder wie man diese dialektische Dichotomie auch immer beschreiben will.
Je nach Weltanschauung kann man sie auch »Etwas « und »Nichts « nennen, »Licht « und »Schatten «, »Gut « und »Böse «. Oder meinetwegen »plus « und »minus «, »eins « und »null «. Womit wir wieder bei Etwas und Nichts wären. Oder auch bei Gott und dem Teufel – je nach Weltanschauung, wie gesagt. Und dann bleibt eigentlich nur noch eine wichtige Frage – nämlich, wie man sich selbst zu dieser Dichotomie stellen will…
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Gerhard Wisnewski
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