Im Internet tobt ein Aufstand gegen den Spiegel. Grund sind das Spiegel–Titelbild vom 28. Juli 2014 mit der Überschrift »Stoppt Putin jetzt! « und der Leitartikel, in dem nach dem Absturz von Flug MH 17 demagogisch zum Wirtschaftskrieg gegen Russland aufgerufen wird. Ein Wirtschaftskrieg, der erstens Hunderttausende und Millionen Arbeitsplätze kosten wird und zweitens leicht in einen heißen Krieg münden kann. Der Spiegel sah sich nun genötigt, sein Titelbild und seinen Leitartikel auf Spiegel Online zu rechtfertigen. Gerhard Wisnewski hat das Machwerk dokumentiert und analysiert…

Ein ziemlich einmaliger Vorgang: Der Spiegel sieht sich gezwungen, im Nachhinein auf eines seiner Titelbilder einzugehen, und zwar auf das Titelbild vom 28. Juli 2014 mit der Überschrift »Stoppt Putin jetzt! « Darauf sieht man die angeblichen Absturzopfer von Flug MH 17 vom 17. Juli 2014 und dazu die rote, aggressive Headline »Stoppt Putin jetzt! «
Das löste so viele kritische Reaktionen im Internet aus, dass sich der Spiegel nun genötigt sah, in eigener Sache auf diesen Titel einzugehen. Unter der Überschrift »Wer ist der Kriegstreiber? « hat man das auf Spiegel Online getan und weist darauf hin, dass das natürlich auf keinen Fall kriegstreiberisch gemeint gewesen sei – auch nicht der entsprechende Leitartikel in dem Heft vom 28. Juli 2014. Denn man habe ja nur von Wirtschaftssanktionen und nichtmilitärischen Mitteln gesprochen.
Am Anfang steht der Wirtschaftskrieg
Dazu muss man allerdings wissen, dass bisher vielen Kriegen ein Wirtschaftskrieg vorangegangen ist. Die Behauptung des Spiegel, man würde nur von Sanktionen sprechen und nicht von Krieg, ist reinste Heuchelei. Man denke beispielsweise an den Irak, der jahrelang mit Sanktionen überzogen und geschwächt wurde, bis George W. Bush endlich mutig genug war, über das weitgehend wehrlose Land herzufallen.
Genauso soll das hier jetzt auch funktionieren, wobei nicht klar ist, wie lange diese Sanktionsphase dauern soll: ein Jahr, fünf Jahre oder zehn Jahre? Jedenfalls wird man, wenn man die Zeit als gekommen sieht, unter einem weiteren Vorwand über Russland herfallen.
Und nicht zu vergessen: Wir alle müssen diese irrsinnige Politik und diese irrsinnige Medienhetze bezahlen, weil solche Sanktionen natürlich auf uns zurückschlagen werden. Werfen wir daher noch einmal einen Blick auf den ach so harmlosen Leitartikel, der vom Spiegel allen Ernstes immer noch verteidigt wird.
Ende der Feigheit?
Der Titel spricht schon Bände, er lautet nämlich »Ende der Feigheit «, was bedeutet, dass wir alle feige sein sollen, weil wir nicht richtig mit den Russen umgehen: »Europa muss Putin für den Abschuss von MH 17 zur Rechenschaft ziehen «, steht da zu lesen. Und weiter:
Die Absturzstelle von Flug MH17 ist ein Albtraum, der Europa heimsucht. Noch immer liegen Leichenteile zwischen Sonnenblumen. 298 Unschuldige sind hier ermordet worden, die Welt wurde Zeuge, als marodierende Banditen in Uniform die Toten bestahlen, ihnen die Würde nahmen.
Diese Diktion spricht schon Bände: Hier geht es um reinste Demagogie und Hetze.
Hier, in der ostukrainischen Einöde, hat sich Putins wahres Gesicht gezeigt. Der russische Präsident steht enttarnt da, nicht mehr als Staatsmann, sondern als Paria der Weltgemeinschaft. Die Toten von Flug MH17 sind auch seine Toten, er ist für den Abschuss mitverantwortlich, und es ist nun der Moment gekommen, ihn zum Einlenken zu zwingen – und zwar mit harten wirtschaftlichen Sanktionen.
Putin wird für vogelfrei erklärt
Mit diesem Absatz wird Putin aus der Weltgemeinschaft ausgestoßen und für vogelfrei erklärt. Einen Ausgestoßenen konnte man schon im Mittelalter behandeln, wie man wollte. Er war seiner Rechte beraubt, und der Rest der Gemeinschaft konnte über ihn herfallen. Saddam Hussein, Gaddafi und Baschar al-Assad lassen grüßen. Aber nun will man den Krieg nach Europa tragen und sich den größten Happen holen, nämlich Russland. Dass die Toten von MH 17 auch Putins Tote seien, ist dagegen völlig unbewiesen. Dafür gibt es keine überzeugenden Hinweise, sondern das wird einfach so behauptet, um ihn zu etwas zu zwingen – martialische Töne, die vollkommen fehl am Platze sind.
Niemand im Westen zweifelt noch ernsthaft daran, dass das Flugzeug mit einem Buk-Luftabwehrsystem abgeschossen wurde, das die Separatisten höchstwahrscheinlich aus Russland erhalten haben. Einer ihrer Anführer hat selbst zugegeben, dass sie über ein solches System verfügten, und die Indizienkette ist eindeutig.
Davon kann natürlich überhaupt keine Rede sein. Wenn überhaupt, dann ist die Indizienkette in Richtung Westen viel eindeutiger. Man benötigt ja nicht nur eine Startrampe, sondern einen ganzen Zug von Fahrzeugen mit Radarsystemen, um ein solches Flugzeug überhaupt zu erfassen und abzuschießen, und man braucht ausgebildete Experten, die diese Geräte bedienen können – all das ist bei den so genannten Separatisten weit und breit nicht in Sicht.
Der Abschuss von MH17 mag ein tragisches Versehen gewesen sein. Wer die Rakete abfeuerte, wollte vermutlich kein Verkehrsflugzeug treffen.
Man räumt also ein, es könnte sich um ein Versehen gehandelt haben, aber das dient nicht etwa der Entlastung des Angeklagten, sondern das Urteil steht längst fest. Natürlich ist er trotzdem schuldig, wenn auch auf eine etwas andere Weise:
Doch der Abschuss ist die direkte Folge davon, dass Russland die Separatisten in den vergangenen Wochen militärisch aufgerüstet hat. Er ist ein Symbol für die Ruchlosigkeit Putins – und für das Versagen der bisherigen westlichen Politik. Die Trümmer von MH17 sind auch die Trümmer der Diplomatie.
Das Ende der Diplomatie?
Dass Russland die Separatisten aufgerüstet hat, kann sein, kann aber auch nicht sein. Das ist eine Behauptung, die hier nicht weiter belegt wird. Überzeugende Beweise dafür liegen zur Zeit nicht vor. Interessant ist, dass hier gesagt wird: »Die Trümmer von MH17 sind auch die Trümmer der Diplomatie. « Das heißt also, aus Sicht des Spiegel ist die Diplomatie bereits zertrümmert worden und keine Option mehr, sondern jetzt muss der Wirtschaftskrieg beginnen.
Während der Westen zunächst milde Sanktionen beschloss und »De-Eskalation « forderte, eskalierte Putin den Konflikt immer weiter und wusch seine Hände zugleich in Unschuld: Stets bestritt er, hinter den Separatisten zu stehen. Dieses Gespinst aus Lügen, Propaganda und Täuschung ist nun aufgeflogen.
Tatsächlich? Es gibt immer noch keine Beweise, dass Putin hinter diesen Separatisten steht, dass er sie aufrüstet oder steuert. Wenn jemand die Situation eskaliert hat, dann war das eindeutig der Westen. Aus dem Westen sind ausschließlich Vorwürfe, Anklagen, Beschuldigungen und Drohungen zu hören, während aus dem Osten erfrischend sachlich und unaufgeregt geantwortet wird. Wenn sich hier jemand eines Gespinstes aus Lügen, Propaganda und Täuschung bedient, dann ist das eindeutig der Westen, allen voran das Propagandamagazin Der Spiegel.
Die Verbindungen zwischen Putin und den Separatisten liegen offen zutage. Zwar mag er die Männer in den Fantasieuniformen nicht vollständig kontrollieren – das haben Stellvertreterkriege so an sich –, aber er bewaffnet sie, und er kann ihnen Einhalt gebieten. Allen Forderungen, dies zu tun, hat er sich bisher widersetzt. Selbst nach dem Mord an 298 Menschen kam von Putin kein Wort der Distanzierung, der Entschuldigung.
Eine Falle für Putin
Ein guter Witz – nehmen wir an, Putin würde sich (warum auch immer) entschuldigen, würde ihm das sofort als Schuldeingeständnis ausgelegt werden. Man baut dem russischen Präsidenten eine Falle nach der anderen auf und spricht nun von einem Mord, während es sich oben wahrscheinlich noch um ein »Versehen « gehandelt haben soll. Werden diese Artikel eigentlich noch von jemandem gelesen, bevor sie veröffentlicht werden?
Nach dem Abschuss von MH17 kann Europa nicht mehr weitermachen wie bisher. Deshalb ist es richtig, dass sich die Vertreter der 28 EU-Mitgliedsländer vergangene Woche grundsätzlich auf harte Sanktionen gegen Russland geeinigt haben. Zu den Vorschlägen gehören ein Boykott russischer Banken sowie ein Verbot der Exporte von Waffen und Energietechnologie. Entscheidend ist nun, dass die EU-Staaten die Maßnahmen diese Woche auch wirklich in vollem Umfang beschließen, um Russlands Wirtschaft zu treffen, und sie, wenn es nötig sein sollte, noch ausweiten.
Ein Wirtschaftskrieg wird uns, wie gesagt, allen schaden – wird Russland schaden, wird Europa schaden, und er wird wahrscheinlich früher oder später in einen heißen Krieg münden.
Wer harte Maßnahmen verlangt, um Russland zum Einlenken zu bewegen, ist kein Kriegstreiber. Der Einzige, der seinen Krieg in der Ukraine bisher ungehindert vorantreibt und seit der Annexion der Krim den Frieden in Europa aufs Spiel setzt, ist Russlands Präsident. Die europäischen Staaten müssen deshalb alle nichtmilitärischen Druckmittel ausschöpfen, über die sie verfügen. Es geht nicht um Eskalation, sondern um Abschreckung – und damit diese wirkt, muss sie glaubwürdig sein.
Politiker – von der NATO bezahlt
Natürlich geht es um Eskalation. Man möge sich zum Beispiel an all die Stiftungen erinnern, die in Kiew tätig sind und nichts weiter tun, als dort zu versuchen, die Unzufriedenheit und den Aufruhr zu schüren und Demonstrationen anzuzetteln. Selbst die NATO, das westliche Militärbündnis, mischt dort mit und hat eine der obersten politischen Figuren der Ukraine gefördert, nämlich den ehemaligen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk.
Ein Mann, der von der NATO bezahlt und gefördert wurde. So kann man einmal sehen, von wem hier eigentlich die Initiative in diesem Konflikt ausging.
Das gelingt nur [nämlich die Abschreckung], wenn Europa vereint auftritt und auf nationale Egoismen verzichtet. Solange Frankreich den Russen weiterhin Kriegsschiffe liefern will und die Briten von den Moskauer Oligarchen profitieren wollen, kann die EU Putin nicht beeindrucken. Deshalb ist lobenswert, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern auch maßgebliche deutsche Wirtschaftsvertreter nun einen harten Kurs unterstützen – obwohl er die deutschen Exporte beeinträchtigen würde.
Ein Schlaglicht auf die Verantwortungslosigkeit dieser Politik, denn wer die deutschen Exporte beeinträchtigt, der opfert hier natürlich Arbeitsplätze, Wohlstand und gesellschaftliches Wohlergehen – zum Nutzen einer völlig destruktiven Angriffspolitik.
Europa kann die Folgen einschneidender Sanktionen verkraften, Russland kann es nicht. Es ist wirtschaftlich verwundbar, benötigt westliche Investitionen und Technologie, insbesondere für seinen Energiesektor.
Eine Garantie, dass Sanktionen schnell zum gewünschten Ergebnis führen, gibt es dennoch nicht. In einer ersten Reaktion könnte Putin um sich schlagen, einen überraschenden Gegenzug versuchen – aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass er mittelfristig nachgeben müsste. Seine Herrschaft basiert bislang darauf, dass er die Eliten mit gut gehenden Geschäften ruhigstellt. Massivem Druck seitens russischer Unternehmer, Oligarchen und Liberaler könnte er kaum standhalten. Eine weitere Abwertung des Rubels würde auch die breite Bevölkerung treffen, die ihn bisher noch unterstützt.
Woraufhin die Katze endgültig aus dem Sack gelassen wird:
Für die Sanktionen wird Europa, werden auch wir Deutschen sicherlich einen Preis zahlen müssen – aber der Preis wäre ungleich höher, wenn der Zyniker Putin seine völkerrechtswidrige Politik ungehindert fortsetzen könnte: Der Frieden und die Sicherheit in Europa wären dann in ernster Gefahr.
Sanktionen gegen den Spiegel
Ist das nicht grotesk? Ein Blatt, das auf Leser und Abonnenten angewiesen ist, will dieselben Leser und Abonnenten in einen Wirtschaftskrieg gegen Russland treiben, der dieselben Menschen teuer zu stehen kommen wird. Warum sollte man ein solches Blatt kaufen? Sollte man das Geld nicht lieber für kommende harte Zeiten sparen? Und ob.
Deshalb mein Vorschlag: Man muss schließlich mal klein anfangen. Warum sollen wir denn gleich mit Sanktionen gegen das große Russland beginnen? Versuchen wir’s doch erst mal mit dem kleinen, schmierigen Nachrichtenmagazin Der Spiegel in Deutschland und kündigen da unsere Abos und hören auf, dieses Schmierblatt weiter zu kaufen…
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Gerhard Wisnewski
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